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Fremden Kind

Fremden Kind

Titel: Fremden Kind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A Hollinghurst
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Freunde, manche allzu enge Freunde, und ein, zwei, denen man lieber aus dem Weg gehen sollte. Sie goss sich ein Glas Rotwein ein. »Ach, Tilda ist draußen!«, informierte sie Stinker, der gerade über die Schwelle der Terrassentür ins Zimmer gestolpert kam. »Sie müssen an ihr vorbeigelaufen sein.« Er stützte sich an einem Tisch ab und stierte sie an, wusste aber nichts darauf zu erwidern.
    Daphne ging voran durch den Kuhkorridor, die Treppe an der Ostseite des Hauses hinauf, und Revel berührte sie auf jedem Absatz sanft zwischen den Schultern. Sein Gesicht, wenn sie ihn ansah, war aufmerksam, Vorfreude flackerte darin auf. Sie war aufgeregt, bis zur Albernheit. »Wie im Hintertreppenroman, wie Mrs Riley sich ausdrücken würde«, sagte sie.
    »Das hier kann sie dabei wohl nicht gemeint haben, oder?«, bemerkte Revel kühl; eine Hürde war genommen, und gleich mehrere unaussprechliche Dinge lagen in der Luft. Daphnes Herz schlug schneller, gleichzeitig erfasste sie eine seltsame schwebende Mattigkeit, wie um ihrem rasenden Pulsschlag entgegenzuwirken.
    »Ich hatte eben ein sehr befremdliches Erlebnis mit der guten Mrs Riley. Man könnte sagen, dass sie mir ihre körperliche Liebe angetragen hat.«
    Revel lachte unbekümmert. »Immerhin beweist sie guten Geschmack.«
    Das war wohlfeil, doch Daphne fühlte sich geschmeichelt. » Na ja …«
    »Ich dachte nämlich schon, sie hätte ein Auge auf Flo geworfen, die mir ein bisschen danach aussieht, als ob sie nicht abgeneigt wäre.«
    »Siehst du, und ich dachte ….«, aber es wäre zu langwierig, das zu entschlüsseln, außerdem kam ihnen vom obersten Flur ein Hausmädchen mit einem Baby, nein, einer in ein Tuch gewickelten Wärmflasche entgegen. »Du bist immer so lieb zu den Kindern«, sagte Daphne laut, »sie freuen sich wahnsinnig, wenn sie dich sehen.« Sie nickte dem Hausmädchen im Vorbeigehen vermeintlich zerstreut zu und meinte, das würde alles erklären, ihre mütterliche Tugend wäre nach dem schrecklichen Spektakel unten im Salon damit anrührend zur Geltung gebracht. »Wir gehen natürlich nur rein, wenn sie noch wach sind!« Sie legte den Zeigefinger auf die geschürzten Lippen, drückte die Tür übertrieben vorsichtig auf, ein kurzer dramatischer Lichteinfall vom Flur aus ins Zimmer, und schon waren sie eingetreten, und Revel ließ die Tür mit einem gedämpften Klicken wieder ins Schloss fallen. Vom Tisch leuchtete ein fahles Nachtlämpchen herüber und streute große Schatten auf die Betten und an die Wände. »Schlaf schön weiter, Wilfie, mein Schatz«, sagte sie. Unsicher sah sie in dem schummrigen Schein zu ihm hinunter, er hatte sich bewegt und gestöhnt, war aber wohl doch nicht wirklich aufgewacht … dann zu Corinna in ihrem Bett am Fenster, die nicht ganz so reizend aussah, sie lag platt auf dem Rücken, den Kopf auf dem Kissen weit nach hinten gebeugt, und schnarchte. »Wenn sie sich nur sehen könnte«, spöttelte Daphne versonnen über ihr andächtiges Kind.
    »Wenn wir uns nur selbst sehen könnten …«, sagte Revel. »Ich meine, wenn du mich sehen würdest …«
    »Hm«, sagte Daphne, lehnte sich zurück und ertastete ihn mit den Schultern, spürte, wie sich seine linke Hand um ihre Taille legte, souverän und galant, und nur für einen Moment dort ruhte. »Hm … tja, da sind sie also!«, sagte sie, trat zur Seite, als ob sie einen Tanzschritt machen würde, das Versprechen zurückzukehren. »Leider kein so hübscher Anblick«, murmelte sie in ihr Weinglas, bevor sie den nächsten Schluck trank. Eine Reihe banaler Entschuldigungen tat sich vor ihr auf, weil die Kinder Revel vielleicht nicht gefielen. Er musste den Geruch aus dem Nachttopf doch wahrnehmen, sie meinte Wilfies Pipi zu erkennen. »Ihr Vater guckt nie nach ihnen – ich meine, wenn sie schlafen – und wenn sie wach sind, auch nur so selten wie möglich! – man kann schließlich nicht von ihnen erwarten, dass sie immer hübsch herausgeputzt sind –« Sie schüttelte den Kopf, trank den nächsten Schluck und wandte sich wieder Revel zu. Revel griff sich Wilfies Teddybären Roger und musterte die kleine Kreatur freundlich fragend wie ein kinderlieber Hausarzt, sah dann Daphne mit dem gleichen putzigen Lächeln an, als könnte sie sagen, was sie wollte, es wäre völlig egal. Der Name Dudley hing unausgesprochen in der Luft.
    Sie ging um Wilfrids Bett herum auf die andere Seite, stellte ihr Glas auf dem Nachttisch ab, blickte den Jungen prüfend an und ließ sich schwer

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