Fremden Kind
duraglitgetränkten Wattebausch behandelte. Er und Milsom unterhielten sich über Lieblingswörter.
»Ich glaube«, sagte Milsom, »mein Lieblingswort ist glorios .«
»Nicht großarti g ? «, sagte Dupont.
»Nein, nein. Ich benutze viel lieber glorios .«
»Na gut«, sagte Dupont.
»Und deins? Aber jetzt sag bloß nicht und, oder Schwein, oder so, du weißt schon.«
Dupont lüpfte eine Augenbraue. »Im Moment«, sagte er, »dürfte mein Lieblingswort wohl churrigueresk sein.« Milsom staunte mit offenem Mund und schüttelte den Kopf, während Dupont kurz zu Peter schielte, um die Wirkung seiner Äußerung zu beobachten. »Auf der anderen Seite«, fuhr er lässig fort, »mag ich aber auch einfachere Wörter, zum Beispiel geschmeidig .«
»Geschmeidig?«
»Ja, geschmeidig«, sagte Dupont und fuhr elegant mit dem Messer durch die Luft. »Es hat drei Silben wie dein glorios, ist aber viel musikalischer. Geschmeidig … geschmeidig …«
»Um Gottes willen, pass auf mit der Waffe. Damit macht man seine Feinde einen Kopf kürzer.«
»Ich passe schon auf, Sir«, sagte Dupont gekränkt und wurde rot. Seit seiner Vertreibung aus dem Musikzimmer nahm er sich vor Peter in Acht und schien der eigenen Stimme mit ihren sonderbaren Oktavsprüngen mitten im Wort nicht mehr zu trauen. Peter trat näher und schaute über seine Schulter auf die breite Messerklinge; der Knick in der Mitte jagte ihm ein Kribbeln über die Rückseite seiner Oberschenkel.
»Das sieht ganz schön fies aus, Nigel …«
»Ist es auch, Sir!«, sagte Dupont mit einem dankerfüllten Blick. Streng genommen durften nur die Aufseher mit Vornamen angeredet werden. Er drehte das Messer um, die eine Seite blanker Stahl, die andere noch matt, blauschwarz schimmernd. Seine Finger waren schwarz von dem Duraglit-Wattebausch. »Schauen Sie mal, Sir, es ist perfekt ausbalanciert.« Eine schmutzige Fingerspitze in der Kerbe, wo die Klinge ansetzte, hielt er das Messer zitternd in aufrechter Stellung, sodass es wie ein Papagei auf einer Stange vor- und zurückpendelte.
Zahlreiche Bilder standen noch herum, und Peter fragte die Jungen, wo sie aufgehängt werden sollten. Es war ihr Museum – Duponts Idee, gewiss, aber in zuverlässiger Koautorschaft mit Milsom 1 ausgeheckt; Peebles und noch ein paar andere hatten mitgewirkt, doch sich verflüchtigt, als es an die Arbeit ging, der Stall ausgemistet und die Wände weiß getüncht werden mussten. Es war klar, dass sie mit den Ausstellungsstücken nur spielen wollten. »Na los, hängen wir die Mutter des Direktors auf«, sagte Peter, und die Jungen lachten verdruckst. Peter hielt ein düsteres Gemälde in einem glänzenden Goldrahmen hoch. »Sehr großzügig vom Herrn Direktor, uns das Bild zu leihen, findet ihr nicht?« In der spielerischen Verunsicherung, die Peter gerne herstellte, betrachteten die Jungen das Porträt genauer. Eine Frau mit rundem Gesicht und in einem grauen Kleid schaute daraus hervor, als müsste sie ihr Unbehagen darüber unterdrücken, dass sie den Direktor erzeugt hatte. »Wo sollen wir die selige Mrs Watson hintun?« Pferden hatte man früher offenbar wenig Licht gegönnt, hier gab es nur die Halbtür auf der Vorderseite und ein Fensterchen hoch oben in der Rückwand. Die Glühbirne unter dem Blechschirm an der Decke beleuchtete den oberen Teil des Raums nicht. »Vielleicht am besten ganz oben …?«
»Heißt das, dass sie tot ist, Sir?«, fragte Milsom.
»Leider ja«, sagte Peter mit einer gewissen Strenge. Es gab Dinge, über die Witze zu reißen man sie nicht ermutigen durfte – obwohl ihr Tod ganz sicher der Grund gewesen war, warum der Direktor ihr Konterfei endlich von seiner Wohnzimmerwand entfernt hatte.
»Wir brauchen mehr Licht, Sir«, sagte Dupont. Er hätte am liebsten die von Hethersedge gestiftete viktorianische Öllampe angezündet, doch dieses Risiko einzugehen war selbst Peter nicht bereit.
»Ja, ich weiß. Ich werde mal Mr Sands darauf ansprechen.«
»Ich finde, wir sollten sie an einem prominenten Platz aufhängen, Sir«, sagte Milsom.
Peter lächelte ihn an und erging sich für einen Moment in Mutmaßungen, was das Leben für einen so respektvollen Jungen wohl bereithielt. »Ich finde, du hast recht«, sagte er, kletterte auf die Leiter und hängte das alte Mädchen an die Wand über der Waffenvitrine. Es war eine zentrale Stelle, nur schnitt jetzt der Rand des Lampenschirms alles oberhalb ihres Kinns ab. »Ach, was soll’s«, sagte Peter und zwang damit den
Weitere Kostenlose Bücher