Fremden Kind
sagte Dorothy mit einem etwas durchtriebenen Blick.
»Na, ja …«, sagte Mike plötzlich mit bleierner Miene. Soweit Peter das überblickte, konnten lediglich er selbst und der Direktor einen ordentlichen Universitätsabschluss vorweisen, die anderen besaßen verschiedene uralte Diplomzeugnisse, einer nur eine Medaille. Besonders exotisch war Neil McAlls Dipl. Sport-Wiss. (Kuala Lumpur), kraft dessen er Geschichte und Französisch unterrichtete.
»Sie ist die Tochter von Baronet Captain Sir Dudley Valance«, sagte Colonel Sprague humorvoll, doch mit Gefühl. Obwohl nur Schatzmeister, war er durchaus empfänglich für längst abgeschaffte Rangbezeichnungen und spielte sich gegenüber Captain Dawes und natürlich gegenüber Mike und dem Schuldirektor, die beide bei der Royal Air Force gedient hatten, manchmal unberechtigterweise wie ein Vorgesetzter auf.
»Dann wird sie es als Kind nicht leicht gehabt haben«, sagte Mike.
»Corley Court war ihr Elternhaus.«
»Ich weiß nicht …«, gab sich der Direktor aus kläglich taktischen Erwägungen zerstreut und ließ seinen Blick über den Tisch schweifen, »aber ich habe mich gefragt, ob Sie nicht am besten dazu geeignet wären, mal ein Wörtchen mit ihr zu reden … äh, Peter .«
Peter wurde rot, blinzelte und antwortete umgehend. »Bei allem Respekt, Herr Direktor, aber ich bin wohl kaum der Richtige, um anderen Mitgliedern des Kollegiums Disziplin beizubringen, vor allem nicht, wenn sie doppelt so alt sind wie ich.«
»Armer Peter!«, säuselte Dorothy mütterlich. »Er hat doch gerade erst hier angefangen.«
»Nein, nein. Es geht nicht darum, sie zu disziplinieren. Natürlich nicht!«, beeilte sich der Direktor zu sagen und wurde ebenfalls rot. »Ich dachte eher an einen … einen dezenten Hinweis in einem allgemein gehaltenen Gespräch. Das wäre sicher effektiver als eine Standpauke von meiner Seite. Ich habe gehört, Sie spielen im Duett, oder …?«
»Na ja …«, sagte Peter beinahe schuldbewusst und überrascht, dass der Direktor das wusste. »So kann man das nicht nennen. Wir üben einige vierhändige Stücke ein, die wir am siebzigsten Geburtstag ihrer Mutter kommende Woche aufführen wollen. So gut kenne ich sie eigentlich gar nicht.«
»Ach, Lady Valance wird siebzig?«, sagte Colonel Sprague. »Sollte die Schule ihr nicht in irgendeiner Form einen Glückwunsch zukommen lassen?«
»Nein, nein, sie ist nicht mehr Lady Valance«, sagte Peter scharf.
»Die gegenwärtige Lady Valance ist fünfundzwanzig, dem Aussehen nach«, sagte Mike.
»Sie war Fotomodell, oder?«, sagte die Hausmutter.
Tatsächlich machte Corinna Keeping ihm Angst; trotzdem hatte Peter das Gefühl, etwas bei ihr erreicht zu haben. Der Snob in ihr hatte sich ihn herausgepickt und gemeint, er könne ihn beeindrucken, wenn nicht gar verführen. Peter war in Oxford gewesen, liebte Musik und hatte die Bücher ihres Vaters gelesen. Selbstverständlich spielte sie zehnmal besser Klavier als er, verspürte aber offenbar nicht das Bedürfnis, ihm die Ohren lang zu ziehen. Im Gegenteil, sie bot ihm Zigaretten an und klatschte in ätzendem Tonfall mit ihm über die Schulleitung. Wahrscheinlich konnte er es sich noch am ehesten von allen erlauben, mit ihr zu reden, wollte es sich aber auch nicht mit ihr verscherzen. Er versprach sich einiges von dem Geburtstagsfest, interessante Leute kennenzulernen zum einen, zum anderen hatte sie ihren intelligenten Sohn Julian erwähnt, der in der sechsten Klasse in Oundle »auf die schiefe Bahn geraten« sei und mit dem ein deutliches Wörtchen zu reden sie ebenfalls Peter gebeten hatte. »Sie stehen von uns allen wahrscheinlich am besten mit ihr«, gab sich John Dawes betont unbefangen. Und Peter hörte sich sagen: »Also gut, wenn Sie wollen, gebe ich mal einen dezenten Hinweis.«
»Das wäre wohl das Beste«, sagte der Direktor jetzt streng, da er sich durchgesetzt hatte.
»Obwohl ein Wink mit dem Zaunpfahl bei ihr vielleicht mehr bwirken würde«, sagte Peter.
Danach drehte sich das Gespräch um einige Jungen, die in irgendeiner Weise auffällig geworden waren, aber es ging völlig an Peter vorbei, der seine Zusage bereits bedauerte. Jetzt fing auch er an zu kritzeln, malte mit dem grünen Kugelschreiber Säulen und einen Giebel um das Wort Museum herum. Am Ende würde es doch noch ein Ashmolean. Er fragte sich, ob Julian Keeping wohl attraktiv war und ob die schiefe Bahn, auf die er geraten war, in irgendeinem schwulen Zusammenhang stand. In
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