Fremden Kind
Public Schools brauchten Schwule im Allgemeinen nicht zu rebellieren, sie passten sich sehr gut an, besonders, wenn sie auch noch sehr gut aussa hen. Er umrandete die Worte »Tag der offenen Tür« mit roten Sternchen, da hörte er den Direktor sagen: »Gut, kommen wir nun zum Punkt Verschiedenes, äh, Peter, das pornografische Zeug und so …«
Leicht verwirrt kritzelte Peter weiter und sagte schmunzelnd: »Ich habe nicht viel zu berichten, Herr Direktor.« Als er aufblickte, sah er die völlige Geistesabwesenheit in den Gesichtern; eine lange Schliere Rauch von John Dawes’ Pfeife hing in der Luft und löste sich langsam zwischen ihnen auf.
»Ich weiß nicht, Dorothy – vielleicht sollten Sie jetzt lieber den Raum verlassen.«
»Du lieber Himmel, Herr Direktor« – Dorothy schüttelte den Kopf und kramte, als hätte sie etwas vergessen, in ihrer Handtasche nach einem Polo.
»Ich habe Dr. No gelesen, wie gewünscht«, sagte Peter und zog das beschlagnahmte Buch unter seinen Papieren hervor. Auf dem Umschlag griff Ursula Andress mit der rechten Hand, leicht behindert von ihrem Busen, nach einem Messer an der linken Hüfte. Es steckte in einem Gürtel, was etwas pervers aussah, denn der Gürtel schlang sich um einen Bikini. Auf der Buchrückseite stand ein Zitat von Ian Fleming: »Ich schreibe für heterosexuelle Warmblüter in Zügen, Flugzeugen und Betten.« Neil McAll beugte sich vor und drehte das Buch in seine Richtung.
»›Die schönste Frau der Welt!‹«, las er laut. »Na, ob das stimmt?« Er schob das Buch John Dawes hin. »Einen komischen Hängebusen hat sie.«
John, aufs Äußerste verlegen, schien sie ernsthaft zu mustern. »Hm. Finden Sie?« Peter versuchte, sich Gina McAlls Busen vorzustellen, aber wahrscheinlich legte man an die Brüste eines Stars andere Maßstäbe als an die seiner eigenen Frau.
»Eigentlich ist der Umschlag schon das Freizügigste an dem ganzen Buch«, sagte Peter, »und da die meisten Schüler den Film wohl bereits kennen, sehe ich keinen Grund zur Sorge. Übrigens ist es gar nicht mal schlecht geschrieben.« Er sah mit offenem Blick in die Runde. »Auf Seite 91 findet sich zum Beispiel die exzellente Beschreibung eines Dieselmotors.«
»Hm …« Der Direktor lächelte frostig über so viel Frivolität. »Gut. Vielen Dank.« Wieder mal hatte Peter den Eindruck, dass er für den Schulleiter offenbar eine Art fortschrittliche weltliche Gesinnung verkörperte. »Inzwischen hat eine Durchsuchung des Schranks der vierten Klasse …« – er fasste in seine Jacketttasche, als befände sich darin eine kostbare Handschrift, zog aber nur ein zerlesenes Taschenbuch heraus, das mit natürlicher Neugier herumgereicht wurde – »dies hier zutage gefördert.« Es handelte sich um Diana Dors’ Autobiografie Swingin’ Dors . Auf dem Umschlag, unter ihrer ebenfalls üppigen Brust, prangte die Zeile: »Ich war ein ungezogenes Mädchen.« Mike sah sich das Foto der aus Swindon stammenden Schauspielerin im Nerzbikini auf der ersten Buchseite an. »Das ist selbstverständlich absoluter Schund«, ermahnte der Direktor die Lehrer, »obwohl es gegen das, was wir Ihnen gleich vorlegen werden, fürchte ich, noch harmlos ist. Denn leider muss ich Ihnen sagen, dass unsere Hausmutter hinter der Heizung im Zimmer der sechsten Klasse ein Druckerzeugnis entdeckt hat, das alles in den Schatten stellt.«
»Ja«, sagte die Hausmutter mit unbeweglicher Miene. Peter wusste, dass die Heizkörper mit dicken Gittern verkleidet waren, doch anscheinend hatte die Hausmutter sie genauso bedenkenlos herausgerissen wie sie schlecht gemachte Betten zerwühlte.
Der Schuldirektor hatte die Zeitschriften aus einer Mappe hinter seinem Rücken hervorgeholt und auf den Schoß gelegt, blätterte unterm Tisch darin herum und stieß die Titel mürrisch hervor. Es waren die üblichen pornografischen Heftchen, nur das FKK-Magazin Health and Efficiency unterschied sich insofern, als es auch Abbildungen nackter Knaben und Männer enthielt. »Natürlich hat sich niemand dazu bekannt, dass er sie dort versteckt hat«, sagte er und schüttelte sich angewidert. Peter konnte sich denken, wer es gewesen war, hatte aber nicht die Absicht, den Namen preiszugeben. So etwas war zu erwarten. »Sprachen Sie nicht auch von unflätigen Ausdrücken, die Sie vernommen haben wollen, Hausmutter?«
»Ja, allerdings«, sagte die Hausmutter, die sich jedoch nicht weiter darüber auszulassen gedachte. Was immer es für Ausdrücke sein mochten,
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