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Fremden Kind

Fremden Kind

Titel: Fremden Kind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A Hollinghurst
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Außenseiter.«
    »Warum so schüchtern?«, sagte Jenny. Sie trug ein glockig geschnittenes Kleid, wie für eine Turniertänzerin, viel Lidschatten, und in Wahrheit war sie es, die ihn einschüchterte, obwohl er der Ältere war. Er trug seinen Büroanzug und wünschte, er hätte sich vorher umgezogen. »Und Granny hat offenbar einen Narren an Ihnen gefressen.«
    »Oh … na ja, sie ist interessant, ich mag sie.«
    »Sie schwärmt regelrecht für Sie«, sagte sie scharf.
    »Ach, wirklich?«
    »›Der Bankangestellte, der unseren lieben Cecil zitiert!‹«
    »Ach so, verstehe …«, sagte Paul lachend, als er durch das Tor aus der Durchfahrt trat und sich fragte, ob sich hier nicht doch nur alle über ihn lustig machten. Er winkte dem Auto zu; die Blenden waren zum Schutz gegen die sinkende Sonne heruntergeklappt, und das anscheinend schwerhörige ältere Paar im Innern des Wagens wirkte ein wenig verwirrt. Der Plan war, die Ankommenden am Haus vorbeizulotsen, sie zu bitten, ihre Autos auf dem Feld gegenüber abzustellen, die Straße zu Fuß zu überqueren und die weiter unten liegende Einfahrt zum Haus zu benutzen. Nur die Gebrechlicheren durften direkt in der Einfahrt parken. Es war eine heikle Aufgabe zu entscheiden, wer unter den zahlreichen eintreffenden älteren Herrschaften gebrechlich genug für dieses Privileg war. Auf dem Feld lauerte die nächste Gefahr in Form von Kuhfladen, aber Paul hielt es für klüger, sie nicht ausdrücklich zu erwähnen. »Passen Sie bitte auf, wo Sie hintreten«, rief er dem davonkriechenden Auto hinterher.
    »Na ja«, sagte er, »wir mussten ›Träumende Soldaten‹ eben auswendig lernen.«
    »Wie bitte?«
    »Das Gedicht von Valance.«
    »Okay …«, sagte Jenny.
    »›So ziehn sie durch Gehöft und Tal, vom Kriege unversehrt, / und nicht im Traum fällt ihnen ein, / es wäre Krieg, so murmeln Bäche unbeschwert, / so still ruhn Feld und Hain.‹«
    »Ah ja …«, sagte Jenny. »Übrigens, in der Corn Hall ist heute Abend Disco.«
    »Ja, ich weiß, das heißt, ich kenne jemanden, der hinwollte.«
    »Ach so. … Hätten Sie Lust, später noch hinzugehen?«
    »Würde man Ihnen das erlauben?« Geoff hatte davon gesprochen, Sandra auszuführen, und Paul war plötzlich ganz erfüllt von der Idee, erkannte dann aber sehr rasch, dass er Jenny unmöglich einladen konnte.
    »Die Locomotives spielen, eine Band aus Swindon … Einfach sensationell. Aber sagen Sie den anderen lieber nichts«, bat Jenny ihn, drehte sich lachend zu John Keeping um, der, ebenfalls mit einem Glas in der Hand, die Einfahrt durchquerte. Er trug einen dunklen Zweireiher, in der Brusttasche ein rotes Seidentuch, was ihn gleich wie einen erfolgreichen Geschäftsmann aussehen ließ. »Meine Großmutter meinte, Sie hätten sich einen Schluck von unserem Fruit Cup verdient«, sagte er. Er legte viel Ironie in seinen kleinen Auftritt als Kellner.
    »Wie nett von ihr«, sagte Paul, nahm das Glas entgegen, ohne genau zu wissen, was ein Fruit Cup war.
    Jenny verzog kurz das Gesicht. »Ich habe Granny eben noch dabei erwischt, wie sie eine halbe Flasche Gin hineingekippt hat. Ich an Ihrer Stelle wäre vorsichtig.«
    »Oh, Mann, dann passen Sie lieber auf!«, sagte John mit einem trägen Wiehern.
    Paul lief rot an, als er probierte. »Hm, gar nicht mal übel«, sagte er und unterdrückte ein Husten, als der Gin die kurze Illusion, er würde Orangensirup trinken, zunichtemachte. Er trank noch einen Schluck.
    John sah ihn mit zusammengekniffenen Augen an, drehte sich dann auf dem Absatz um und nahm die kleine Straße und die halbkreisförmige Einfahrt ins Visier. »Wenn mein Großvater kommt …«, sagte er, »… kennen Sie ihn? Sir Dudley Valance?«
    »Oh, ja …«, sagte Paul.
    »Könnten wir ihm einen Parkplatz in der Nähe der Haustür frei halten? Er wird nicht gern genötigt, zu Fuß zu gehen.«
    »Gut …«
    »Er hat eine Kriegsverletzung«, sagte John mit einiger Befriedigung. »Ach, da kommen schon die Nächsten.« Kopfnickend deutete er auf einen sich nähernden Austin Princess und stapfte über den Kiesweg zurück ins Haus, um sich etwas zu trinken zu holen.
    »Er kann sehr gut alleine gehen«, sagte Jenny. »Sie haben hier nur alle Schiss vor ihm.«
    »Und warum?«, fragte Paul.
    »Ach …«, schnaubte Jenny und schüttelte den Kopf, als würde es zu lange dauern, das zu erklären. »Oh Gott, da ist ja Onkel George«, sagte sie. »Geben Sie mir Ihr Glas.« Sie stellte es auf einen flachen Stein neben dem Torpfosten

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