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Fremden Kind

Fremden Kind

Titel: Fremden Kind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A Hollinghurst
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bewundern, Herr Direktor?«, fragte Peter, unschlüssig, ob er ihn damit aufheitern oder ärgern wollte.
    »Meine einzige Sorge«, entgegnete der Direktor mit jener näselnden Freimütigkeit, die seinem Verständnis von Humor noch am nächsten kam, »ist, dass wir das Loch bis Samstag wieder geflickt kriegen.«
    Peter bahnte sich mit knirschenden Schritten einen Weg zwischen den zusammengepferchten Stühlen hindurch, gefolgt von Paul, der den Ernst der Situation möglicherweise nicht einschätzen konnte und sich in seinem Schreck, wieder in einem Klassenzimmer zu stehen, verlegen lächelnd umsah. »Die Hausmutter muss sich in Grund und Boden geschämt haben«, sagte Peter, der ihr damit edlere Gefühle unterstellte, als sie zum Zeitpunkt des Geschehens offenbart hatte. Er erklomm eine der Klappleitern, die das Podest stützten, auf dem Mr Sands und sein Sohn gearbeitet hatten. »Ich habe übrigens ein paar Fotos für das Archiv gemacht, Herr Direktor«, sagte er und sah von seiner wackligen Warte aus auf ihn hinunter. Das Archiv war eine rein imaginäre Einrichtung, deren Existenz der Schuldirektor dennoch nicht abstreiten würde. Er und Paul sahen mit der üblichen Mischung aus der Besorgnis und Ungeduld der Erdgebundenen zu Peter hinauf. »Ich fände es wunderbar, wenn wir das Ganze freilegen könnten.«
    »Ich rate Ihnen, nützen Sie die Gelegenheit, so gut Sie können«, sagte der Direktor. »Eine zweite werden Sie nicht bekommen.« Wieder sah er Paul mit einem Anflug seines spröden Humors an.
    »Vielleicht können wir die Decke ja während der großen Ferien ganz öffnen.«
    Der Direktor, gegen seinen Willen in ein unwürdiges Spiel hineingezogen, knurrte: »Als Sir Dudley sie abhängen ließ, wusste er schon, warum.«
    Peter überredete Paul, auch hinaufzuklettern – die Planken kippelten und gaben unter ihrem gemeinsamen Gewicht nach –, und packte ihn unbekümmert am Arm; sie reckten die Hälse und spähten in den finsteren Raum zwischen den beiden Decken. Bis zu den Schultern steckten sie in dem Loch und nahmen sich gegenseitig das Licht; zur anderen Seite des Raums hin verlor sich dieses unerwartete Mezzanin in völliger Finsternis. Es war etwa siebzig Zentimeter hoch, und der Geruch nach altem trockenem Holz mischte sich mit dem scharfen frischen nach Feuchtigkeit. »Es ist kaum etwas zu erkennen«, sagte Peter. »Moment mal …« Vorsichtig tastete er nach seinem Feuerzeug in der Jackentasche, hielt es in Augenhöhe und strich mit dem Daumen mehrmals über den Flint: »Verflixtes Ding …« Schließlich brachte er es zum Brennen, und während er mit dem ausgestreckten Arm langsam einen Bogen beschrieb, sahen sie festlich schimmernden Glanz und rasch alles verschluckende Schatten in die kleinen vergoldeten Kuppeln über ihnen hinein- und wieder herauswandern. Die Kuppeln waren in eine flache, purpurrot und golden angemalte Kassettierung eingefasst; an den Stellen, wo Wasser durchgekommen war, hingen Latten und mit Ross haar versetzte Gipsbrocken herab. Es schien alles andere als Alltagsarchitektur zu sein, eher wie der Überrest eines Vergnügungspalastes oder einer vor langer Zeit geplünderten Grabkammer. Wo die Decke auf die am nächsten gelegene Wand stieß, waren ein Stuckgesims, zwei vergoldete Kapitelle und das schmutzige Segment eines großen Spiegelrahmens zu erkennen.
    »Nicht, dass Sie mir noch das Haus anzünden«, sagte der Direktor.
    »Versprochen«, sagte Peter.
    »Feuer und Flut innerhalb einer Woche …«, klagte der Direktor.
    Peter zwinkerte Paul im Schein der Flamme zu und schielte verstohlen auf seinen niedlichen, vor Staunen weit offen stehenden, kleinen Mund. »Ich habe herausgefunden, dass hier unter uns mal das Esszimmer gewesen sein muss«, sagte er, und der Klang seiner Worte hallte in dem Zwischenraum geheimnisvoll nach. Er bückte sich hinunter zum Direktor. »Vorgestern habe ich mich mit der ehemaligen Lady Valance darüber unterhalten. Sie sagte, es sei ihr Lieblingszimmer auf Corley gewesen, wegen der herrlichen Kassettendecke mit den kleinen Kuppeln, die wie Puddingformen aussehen.«
    »Ich mag es nicht, wie Sie beide da oben herumturnen«, sagte der Direktor.
    »Sie würde bestimmt gerne mal vorbeikommen und sie sich ansehen.«
    »Nun kommen Sie mal herunter.«
    »Wir kommen«, sagte Peter, stieß Paul mit der Schulter an und klappte das Feuerzeug zu. Vermutlich interessierte Paul die Decke genauso wenig wie den Direktor. Er dagegen war so ergriffen von dem

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