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Fremden Kind

Fremden Kind

Titel: Fremden Kind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A Hollinghurst
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aus!«, sagte Jenny.
    »Ach, finden Sie?« Paul schaute sie verständnislos an, als wollte er sagen, Mädchen fielen aber auch auf alles herein, drehte sich um und sah ihm hinterher, der erst ins Licht trat und dann im Dunkel verschwand, wie eine verpasste Chance. Dann grinste er mutig Peter an, der tänzelnd auf sie zuschlenderte, sich äffisch auf die Unterlippe biss, weinselig die Arme um sie beide legte und Paul ins Ohr flüsterte: »Sag Bescheid, wenn du gehen willst.«
    »Noch ein schnelles und ein langsames Stück«, kündigte der Leadgitarrist der Locomotives an, und seine Worte hallten gewaltig unter dem hohen Saaldach. »Dann ist Feierabend.«
    »Ich möchte noch ein bisschen bleiben«, sagte Paul. »Wo wir schon mal hier sind.«
    Der letzte Tanz, die Uhr zeigte fünf nach zwölf, und die beiden Polizisten standen im hellen Licht neben der geöffneten Tür und unterhielten sich freundlich mit der Garderobenfrau. Sie schauten auf die Tanzfläche, auf der sich nur noch wenige Tänzer tummelten, und spürten, wie sich um sie herum die Leere ausbreitete; nächtliche Kühle strömte herein, Jenny und Julian, beschwipst ineinander verschlungen, sein Kinn schwer auf ihrer Schulter; Paul und Peter an die Wand gelehnt, ein paar Fußbreit Abstand zwischen ihnen, sich noch leicht in den Hüften wiegend, im Gesicht ein starres Lächeln unbestimmten Vernügens; und in der Mitte Wilfrid und seine neue Freundin, die sich auf fantasievolle Weise dem Rhythmus ihres Partners angepasst hatte und eine Art militärischen Twostepp mit ihm hinlegte, zur Melodie von »The Green Green Grass of Home«.

6
    P eter röhrte die Oxford Street entlang, die sich von ihrem berühmteren Namensvetter gründlich unterschied, denn hier hatten die Geschäfte in der Erstarrung des Sommerabends ihre Rollos bereits heruntergelassen. Kurz bevor er auf den Marktplatz stieß, fragte er sich mit beunruhigender Nüchternheit, ob er in Paul verknallt war oder nicht und was er empfinden würde, wenn er ihn wiedersah. Er wusste gar nicht mehr genau, wie er aussah. Seit er ihn auf dem Fest bei den Keepings geküsst hatte, war von seinem Gesicht nur noch ein verschwommener Eindruck geblieben, Blicke, Blässe und Schamröte; die Augen grau, das Haar bei Licht rotblond, eine komische kleine Person, dass sie ihn so reizte, jung für sein Alter, schlank, aber unterm Hemd stramm und geschmeidig, ziemlich scharf sogar, obwohl er natürlich total betrunken gewesen war auf dem Fest – aber da stand er ja schon, vor der Markthalle, ach ja, richtig, dachte Peter, so sah er aus, es war schon in Ordnung. Er sah ihn wie in Nahaufnahme vor dem belanglosen Hintergrund; die wartende Person, welche auch die Person ist, auf die man gewartet hat. Peter hatte sich etwas verspätet, und in den vier, fünf Sekunden, während das Auto sich langsam näherte, beobachtete er, wie Paul auf die Uhr an der Innenseite seines Handgelenks schaute, dann hinüber zur Midland Bank, als könnte er es nicht erwarten, endlich wegzukommen, dann das Auto entdeckte, mit einem leichten Erschauern so tat, als hätte er es nicht bemerkt, und zum Schluss, als Peter am Straßenrand abbremste, überrascht zurückwich. Er hatte sich nach der Arbeit umgezogen, trug eine saubere, adrette Jeans, um die Schultern einen roten Pullover geschlungen; der Versuch, schick auszusehen, war eher rührend als sexy. Peter hielt an und stieg breit grinsend aus; am liebsten hätte er ihn gleich hier geküsst, aber das musste wohl warten. »Dein Hillmännchen ist bereit!«, sagte er und riss die Beifahrertür auf, die ein lautes quäkendes Geräusch von sich gab. Er hätte vorher ein bisschen aufräumen können, dachte er, hob einen Stapel Papiere vom Boden auf, und fast behinderte er mit seinen ordnenden Händen Paul beim Einsteigen. Paul war einer von den schlanken jungen Männern mit einem Hintern, so rund und knackig wie der eines Radsportlers. Jetzt stieg auch Peter ein, und nachdem er den Wagen wieder angelassen hatte, legte er seine Hand für zwei Sekunden auf Pauls Knie, spürte es vor Spannung zittern und spürte auch Pauls umgehenden Wunsch, dies zu vertuschen. »Bereit für Cecil?«, fragte er. Cecil diente als Vorwand für diesen Besuch, sein Name war schon fast so etwas wie ihr Codewort geworden.
    »Ich war noch nie in einem Internat«, sagte Paul, als sei das seine größte Sorge.
    »Wirklich nicht?«, sagte Peter. »Dann kann ich nur hoffen, dass es dir gefällt.« Sie fegten einmal um den Platz, und der

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