Fremden Kind
aus.« Ich sagte, C habe sowohl D als auch Ingham von Frankreich aus geschrieben: »möchtest Du meine Witwe werden?«, aber war er denn verlobt mit D? Er sagte: »Ich glaube nicht, aber natürlich war da das Kind.« Welches Kind? Im ersten Moment wirkte GFS verdutzt, dann sagte er, »Na ja, doch, das Mädchen …« Er trank einen Schluck Kaffee, guckte immer noch skeptisch. »Ich bin nur nicht sicher, ob sie das weiß.« Ich fragte, ob er Corinna meine. Er sagte Ja. Ich sagte, wie er wisse, sei sie vor drei Jahren gestorben. Es war ein furchtbarer Moment, sein altes Gesicht blickte plötzlich hilflos vor Angst, dann brach Wut in ihm durch, als hätte ich ihn belogen. Ich sagte, es sei Lungenkrebs gewesen, damit konnte er was anfangen. »Der arme Leslie«, sagte er, aber Leslies Selbstmord mochte ich ihm dann nicht auch noch zumuten. Er murmelte, wie schrecklich das alles sei, aber er fing an, es zu akzeptieren, mit einem ziemlich trotzigen Gesichtsausdruck. »Na ja, dann ist es ja auch egal«, sagte er. Ich wusste immer noch nicht, was er meinte. Ich fragte, »Was ist nun mit Corinna?« Ich will es genau wiedergeben: Er sagte, bei seinem letzten Urlaub, zwei Wochen vor seinem Tod, habe C die Nacht mit D in London verbracht und sie geschwängert. (In ihrem Buch schreibt D, sie hätten in einem Restaurant zu Abend gegessen, und danach sei sie nach Hause gegangen.) Ob Dud glaube, er sei Corinnas Vater? Das wusste GFS nicht.
Ich war natürlich hellauf begeistert, gleichzeitig hatte ich Bedenken wegen der Daten. Corinna wurde 1917 geboren, aber wann genau? Ich war stinksauer, dass sie tot war. Die Entdeckung eines noch lebenden Kindes wäre der Clou des Buches gewesen! Ich könnte mich in den Hintern kneifen, wenn ich daran denke, dass die Frau, mit der ich mich mehrmals die Woche getroffen hatte, bis ich aus der Bank ausschied, Cs Tochter gewesen sein könnte. Selbst ihre schwierigen Seiten, ihr Snobismus und ihr unerschütterliches Gefühl, dass ihre Familie sehr tief gesunken sei, gewannen mit einem Mal etwas Romantisches und erschienen mir verzeihlich. Die ganze Zeit hatte ich nichts gewusst! Und jetzt war sie nicht mehr am Leben. Eine vertane Chance! Wahnsinn! Ich rede mir ein, ja, hoffe schon fast, dass es nicht stimmt. Ich sagte, Corinna und Wilf sähen oder hätten beide Dud sehr ähnlich gesehen. Es erschien mir ungehörig und auch sinnlos, seine Angaben zu bezweifeln. Ob D ihm das persönlich gesagt habe, fragte ich ihn noch. Und er darauf: »Na ja, Sie wissen doch …«
Zwischendurch musste ich aufs Klo. MS saß im Flur neben dem Telefon, sprungbereit, mir ein Taxi zu rufen. Ob ich sie fragen konnte, was sie von alldem wusste? Mein Wunsch, GFS zu schützen, hielt mich davon ab. Wie wohl ihre Ehe war? Ich vermute, sie hat Angst, er könnte sich irgendwie danebenbenehmen; sie ist unerbittlich, aber man merkt, dass sie sich Sorgen macht: Sie sagte, er nehme Herzmedikamente, die sich schlecht mit seiner Demenz vertrügen, sie könnten sehr enthemmend wirken, Alkohol sei streng verboten. Dass er anscheinend auch ohne Alkohol recht enthemmt war, wollte ich ihr lieber nicht sagen. Aber natürlich weiß ich nicht, ob er all diese Geheimnisse – oder Spekulationen? – mir ihr teilt.
Als ich zurückkam, musste ich ihm erst wieder auf die Sprünge helfen. Ich dachte, ich könnte ihn mal nach Revel Ralph fragen. (Aus Neugier, fürs Buch ist das nicht rele vant.) »Oh, RR habe ich geliebt, ein Charmeur, sehr attrak tiv, sehr sexy, nicht im herkömmlichen Sinn. Wie Sie wissen, hat er meine Schwester geheiratet. Sie ist mit ihm durchgebrannt. War ein Riesenskandal, weil die Zeitungen ständig voll waren von Dud. Dud hasste Publicity, aber konnte auch nicht ohne sie auskommen. Wirklich viel ausgemacht hat ihm das mit D wohl nicht – kurz darauf hat er ein Model geheiratet, eine langbeinige Blondine. Sie war eine grässliche Zicke.« Ich fragte ihn, ob D und RR glücklich zusammen gewesen seien. Er sagte, RR sei sehr viel netter als Dud gewesen und natürlich auch jünger. Sie hätten nicht viel Geld gehabt und in Chelsea gewohnt, aber als Paar eine gewisse Berühmtheit erlangt. »Ich habe immer gesagt, sie lebten allein von Luft und Liebe. (Exakt derselbe Ausdruck, den D in ihrem Buch verwendet.) Sprich, Picassos an den Wänden, aber die Kinder tragen Lumpen. Wilf hat RR angebetet, aber Corinna hat ihn abgelehnt. RR war ein bekannter Bühnen bildner. Er war schwul und ein schwacher Charakter. D ist immer auf schwierige
Weitere Kostenlose Bücher