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Fremden Kind

Fremden Kind

Titel: Fremden Kind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A Hollinghurst
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malerisches Dorf«, sagte Wilfrid. Sie schlenderten die kleine Seitenstraße entlang, vorbei an dem Geschäft mit dem beschlagenen Schaufenster, der Sozialsiedlung, bogen dann in eine andere Straße, die auf der einen Seite von einem eingezäunten Park, auf der anderen von gepflügten Feldern gesäumt war. Außerhalb des Bungalows gab sich Wilfrid sowohl freimütiger als auch ängstlicher. »Für eine halbe Stunde kann sie schon mal auf sich allein aufpassen.«
    »Sie kann von Glück sagen, dass sie Sie hat«, sagte Paul mit matter Höflichkeit.
    »Sie macht mich noch wahnsinnig«, erwiderte Wilfrid mit einem schuldbewussten Grinsen. Sie erklommen die Böschung, um einen Traktor vorbeizulassen, der hinter sich große Batzen Silage auf die Straße fallen ließ. Wilfrid sah hinauf zu dem Fahrer, grüßte ihn aber nicht. Paul wusste nicht recht, was er von dem Arrangement zwischen Mutter und Sohn halten sollte; er hatte eher den Eindruck, dass sie sich gegenseitig wahnsinnig machten, es belebte sie und trieb sie an.
    »Jedenfalls hat sie sich sehr gut erholt«, sagte Paul.
    »Dank Schwester Valance«, gab Wilfrid ungewohnt schnippisch zurück.
    Was Wilfrid wohl ohne seine Mutter, um die er sich küm mern konnte, gemacht hätte, fragte sich Paul. »Aber Sie haben doch Hilfe, oder?«
    »Nicht der Rede wert. Und natürlich ist es dadurch schwierig für mich … eine Freundin kennenzulernen.«
    Paul gelang ein mitfühlender Blick. »Ja, das kann ich mir vorstellen.«
    »Aber so ist es nun mal!«, sagte Wilfrid. »Jetzt bleibe ich bis zum Ende bei ihr. Das da drüben ist übrigens Staunton Hall. Sie wollte, dass … ich Ihnen das zeige. Da wohnt Lady Caroline.«
    »Olgas ehemalige Arbeitgeberin.«
    »Das Haus Olga nennt sie ihr … Petit Trianon.« Zwischen Bäumen ein paar Felder weiter erkannte Paul einen großen rechteckigen Kasten. Die Sonne stand jetzt sehr niedrig über den Hecken hinter ihnen, und die kleinen Dachluken in dem Herrenhaus schimmerten, als würden alle Lichter brennen. »Wollen Sie die Farm sehen?«
    »Meinetwegen«, sagte Paul.
    »Farmer wäre was für mich gewesen«, sagte Wilfrid.
    Sie gingen ein Stück weiter, dann sagte Paul: »Aber ja, natürlich! Ihr Großvater …«
    »Ich habe Tiere schon immer gerngehabt. Auf Corley gab es zwei Farmen. Man wuchs praktisch … auf zwischen ihnen«, sagte er und verfiel wieder in seinen präzisen klerikalen Ton, vielleicht, um die merkwürdige Diskrepanz zwischen damals und heute zu verschleiern. Wilfrid wäre bald der vierte Baronet Valance, wie Robin gesagt hatte.
    »Können Sie sich an Ihren Großvater noch erinnern?«
    »Kaum. Er starb, als ich … vier oder fünf war. Als Kind nannte ich ihn … Grandpa Olly-olly – weil das alles war, was er sagen konnte.«
    »Er hatte einen Schlaganfall, nicht?«
    »Er konnte nur lallen, immerzu Olly-olly.«
    »Hatten Sie Angst vor ihm?«
    »Ein bisschen schon, denke ich. Ich war als kleiner Junge sehr nervös«, sagte Wilfrid, als blickte er zurück auf eine ihm sehr fremde Befindlichkeit.
    »Ihr Vater hat ihn gerngehabt.«
    »Ich glaube, mein Vater hatte nicht viel übrig für ihn.«
    »Ach … er schreibt sehr liebevoll über ihn.«
    »Ja, das schon.«
    Der Matsch auf der Straße nahm stetig zu, und hinter der nächsten Ecke lag der Eingang zum Hof, neben dem Gatter eine betonierte Fläche für die Milchkannen, auf der anderen Seite ein öliger brauner Morast aus Kuhmist, der sich bis zu den offenen Toren einer Wellblechscheune erstreckte. »Das muss sie wohl sein!«, sagte Paul. Er sah keinen Sinn darin, die Stiefel des verstorbenen Basil Jacobs noch mehr zu verdrecken, und Wilfrids Schuhe wären dem Matsch ohnehin nicht gewachsen. Wilfrid zeigte eine gereizte Verlegenheit, dass er Paul hierhergeführt hatte, und sagte: »Vielleicht sowieso besser, wenn wir wieder umkehren.«
    »Sehen Sie Ihren Vater eigentlich noch?«, fragte Paul, als sie kehrtmachten.
    »Nicht oft«, sagte Wilfrid bestimmt und schaute über die Felder.
    »Es muss ihn doch sehr mitgenommen haben … das mit Ihrer Schwester.«
    »Ja … sollte man meinen.«
    Paul spürte, dass er ihm genug zugesetzt hatte, wechselte das Thema und kam auf sein Hotel zu sprechen, vor dem er sich jetzt schon fürchtete.
    »Schlimm war nur«, unterbrach ihn Wilfrid, »dass er nicht zur Beerdigung gekommen ist. Er hatte zugesagt, aber in der Woche hatte … sich Leslie die Kugel gegeben, und die Beerdigung meiner Schwester wurde deswegen verschoben. Gekommen ist er

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