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Fremden Kind

Fremden Kind

Titel: Fremden Kind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A Hollinghurst
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passieren.«
    »Hm?«
    »Sie müssen viele Leute kennen, über die Biografien geschrieben wurden.«
    »Ja, oder sie tauchen in der Biografie eines anderen auf.«
    »So wie du, Mummy!«, sagte Wilfrid.
    »Aber sie verstehen alles falsch.« Sie fiel wieder in ihre gereizte Stimmung, die sie anscheinend genoss.
    »Die besten vielleicht denn doch nicht«, sagte Paul.
    »Sie können die Leute nicht leiden«, sagte Daphne, »oder jemand, mit dem sie reden, hegt irgendeinen Groll und erzählt Sachen, die einfach nicht stimmen. Und dann drucken sie es, als wäre es das Wort Gottes!« Es war offenbar als Warnung gemeint, aber vorgebracht in einem Ton, als wäre ihr völlig entgangen, dass er ja auch an einer Biografie schrieb. Sie glühte, das Kinn angezogen, die Augen starr auf ihn gerichtet, ohne ihn zu erkennen, wie er sich ins Gedächtnis zurückrufen musste; dennoch flackerte in der flirrenden Wärme des Elektrofeuers so etwas wie eine Verbindung zwischen ihnen auf.
    »Tja …!« Paul machte eine respektvolle Pause. Die erste Wirkung des Gins schien ihm wie auf einen Blick all die Fragen, die er ihr stellen wollte, zu präsentieren; Fragen zu den zahllosen Zweifeln, Gerüchten und Verleumdungen, die ihm über sie und ihre Familie zu Ohren gekommen waren. Hatte sie zum Beispiel auch nur die leiseste Ahnung, was zwischen George und Cecil gelaufen war? Kannte Wilfrid die Theorie, nach der seine Schwester Cecils Tochter war? Es galt, vorsichtig vorzugehen, denn immer deutlicher erkannte er, dass ein Biograf nicht nur über die Vergangenheit schrieb und dass die Geheimnisse, mit denen er sich befasste, unabsehbare Folgen für das Leben anderer Menschen haben konnten. In Anwesenheit von Wilfrid, der einen Orangensaft hinunterkippte, konnte er schlecht vertrauliche Dinge von sich geben oder Daphne danach zu fragen, obwohl auch sie nach einem Drink viel offener und munterer war – vielleicht würde sich ein Versuch lohnen.
    Trotzdem hielt ihn irgendetwas zurück, den angebotenen zweiten Gin anzunehmen, und um sieben Uhr fragte er, ob er sich ein Taxi bestellen dürfe. Daphne lächelte steif, und Wilfrid bot ihm an, ihn mit dem Renault nach Worcester zu bringen.
    »Ich möchte nicht, dass Sie meinetwegen noch mal aus dem Haus müssen«, äußerte Paul höflich seine Bedenken, die nur eine natürliche Ängstlichkeit gegenüber Auto und Fahrer kaschierten.
    »Ach, ich würde ganz gerne eine Spritztour mit ihr machen«, sagte Wilfrid, sodass Paul schon dachte, Daphne würde mitfahren. »Es ist nicht gut, wenn sie … Woche für Woche ungenutzt in der Einfahrt steht.«
    Daphne stand auf, stützte sich an der Eichentruhe ab und kam geradezu beschwingt und herzlich auf Paul zu. »Wo wohnen Sie?«, fragte sie, als plante sie einen Gegenbesuch.
    »In Tooting Graveney.«
    »Ach, ja … Ist das bei Oxford?«
    »Nein, eigentlich nicht … Es ist in der Nähe von Streatham.«
    »Streatham, oh!«, sagte sie, als wäre selbst das brüllend komisch.
    Sie gaben sich die Hand. »Herzlichen Dank.« Es wäre ein geeigneter Moment gewesen, sie mit Daphne anzusprechen, doch das wollte er sich für ihr zweites Treffen aufheben. »Bis morgen dann, gleiche Uhrzeit.«
    Später fragte er sich, ob es wirklich ein Missverständnis gewesen war oder nur eine Art dudleyesker Streich. An der Tür zum Flur hielt sie inne und neigte fragend den Kopf zur Seite. »Oh, kommen Sie noch mal wieder?«
    »Oh … ja« – Paul erschrak. »Ich dachte, das hätten wir so ausgemacht!« Er hatte heute nichts Nennenswertes aus ihr he rausbekommen und betrachtete den Tag eher als ein Vorspiel für die eingehendere Befragung am nächsten Nachmittag.
    »Was haben wir morgen vor, Wilfrid?«
    »Es würde mich wundern, wenn wir morgen überhaupt irgendetwas vorhätten«, sagte Wilfrid auf eine Art, die Paul zu denken gab. Waren seine Geduld und Einfältigkeit vielleicht eine hoch entwickelte Form von Sarkasmus?
    In dem Renault hatte er eher das Gefühl, ein Kind sitze am Steuer und bringe einen Erwachsenen nach Hause, und beide täten so, als sei das weder besorgniserregend noch sonderlich erstaunlich. Wie sich herausstellte, war das Abblendlicht defekt, sodass sie entweder mit Standlicht die Straße entlangkrochen, die Hecken sich über ihnen schwach abzeichneten, oder von entgegenkommenden, durch das Fernlicht geblendeten Fahrzeugen angeblinkt wurden. Wilfrid begegnete beidem mit seiner üblichen, wunderlichen Geduld. Paul wollte ihn nicht ablenken, doch als sie auf die

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