Fremden Kind
ist Nigel Dupont …«
Rob fuhr zusammen: »Ah …«
»Zu Master Bryant gibt es auch eine interessante Geschichte zu erzählen«, sagte Jennifer noch, heftig mit dem Kopf nickend und mit einer Miene, die das Versprechen barg, sie nachher zu erzählen. »Nichts ist, wie es scheint.« Rob lehnte sich zurück, lächelte anerkennend, aber reserviert, um kein voreiliges Urteil in der Sache abzugeben.
Anscheinend hatte Peters Familie Dupont gebeten, bei dieser Gedenkfeier als eine Art Moderator aufzutreten – eine Rolle, die er bereitwillig ausfüllte, mit natürlicher Autorität sowie dem gerade zulässigen Quantum an Schusseligkeit, um sie daran zu erinnern, dass er gerne einsprang. »Nun sind wir also vollzählig«, sagte er mit einem übertrieben geduldigen Lächeln in Richtung der ziemlich aufgelösten Gestalt von Peters Schwester, die mit hochrotem Kopf nach einer grässli chen Hetze durch halb London, noch immer ihre Taschen und Tüten ordnend, in der ersten Reihe Platz genommen hatte. Das Lächeln wanderte die Reihen der Zuhörer entlang. »Sicher haben sehr viele der in diesem herrlichen Raum Versammelten … äh, Peter besser gekannt als ich, und von einigen werden wir gleich noch mehr hören. Peter war außerordentlich beliebt und hatte einen außerordentlich breit gefächerten Freundeskreis. Ich sehe hier im Publikum sehr unterschiedliche Menschen …« Gut gelaunt ließ er seinen Blick durch den Raum schweifen, den Blick des Exilanten. Bei manchen löste das Verwirrung, ja Gelächter aus, da sie sich plötzlich fragten, zu welchem Segment des Freundeskreises sie wohl gehörten. »Und vielleicht betrachten wir diese Zusammenkunft von Peters Freunden einfach als die letzte seiner berühmten Partys, auf der man vom Grafen bis zum … DJ , vom Bischof bis zum Straßenhändler alle möglichen Menschen antreffen konnte.« Es war ein Indiz dafür, dass Dupont den Kontakt zur englischen Alltagswirklichkeit verloren hatte. Der Bischof in der zweiten Reihe lächelte nachsichtig. »Zahlreiche Freund schaften wurden auf diesen Partys geknüpft. Ich für meinen Teil jedenfalls kann sagen, dass einige meiner besten Arbeiten nicht zustande gekommen wären, wenn mich … äh, Peter nicht mit bestimmten Leuten zusammengebracht hätte.« Er dachte kurz über etwas nach – anscheinend hatte er vor, frei zu sprechen, was im weiteren Verlauf für eine ganze eigene Spannung zwischen potenzieller Verlegenheit und wiedergewonnener Sicherheit sorgte. Und ständig sah es so aus, als wäre ihm Peters Name entfallen. »Zunächst jedoch, so hat Terence – Peters Vater – vorgeschlagen, sage ich ein paar Worte über die Zeit, als ich ihn kennenlernte: er Anfang zwanzig, ich im zarten Alter von zwölf Jahren.« Dupont lä chelte versonnen bei dieser Erinnerung, während ein leicht verstörender Unterton ins Bewusstsein drang – Rob sah sich im Raum um und erwischte den belustigten Blick eines großen blonden Mannes, der ebenfalls lächelte, in seiner allgemein heiteren Stimmung sogar explizit Rob anlächelte. Rob glaubte, ihn irgendwo schon mal gesehen zu haben, konnte ihn in seinem privaten Personenregister jedoch nicht zuordnen. Er senkte den Blick und sah, dass Jennifers vordergründig freundliche Aufmerksamkeit sie nicht daran hinderte, auf der Rückseite ihrer Karte diskret mit einem Drehbleistift zu kritzeln: ein ausgezeichnetes kleines Porträt von Professor Dupont.
»Für kurze Zeit, etwas über drei Jahre, unterrichtete Peter an einer Privatschule in Berkshire, Corley Court. Es war seine erste richtige Stelle. Vorher hatte er, soweit ich weiß, mehrere Monate in der Herrenabteilung von Harrods gearbeitet, was ihm einen Vorgeschmack auf London gab – Hosenschritt ins Leben, wie er es nannte! Er hatte in Oxford einen anständigen Abschluss gemacht, doch akademisches Streben war nie Peters Sache.« Selbstzufrieden wanderten Duponts Augen über die Reihen ledergebundener Bücher, während sich im Publikum Verunsicherung breitmachte. »Er besaß einen unstillbaren Wissensdurst, das schon, aber er war kein Spezialist – was ihm auf Corley durchaus entgegenkam, denn dort musste er fast alles unterrichten, außer Mathematik und Sport. Corley Court war ein hochviktorianisches herrschaftliches Anwesen, wie sie damals viel geschmäht wurden, doch Peter war von Anfang an fasziniert von dem Haus. Erbaut wurde es von Eustace Valance, der sein Vermögen mit Grassamen gemacht hatte und dafür zum Baronet ernannt wurde. Auch sein Sohn
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