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Fremden Kind

Fremden Kind

Titel: Fremden Kind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A Hollinghurst
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war Landwirt, doch seine beiden Enkel Cecil und Dudley sollten später bekannte Schriftsteller werden.« Rob sah zu Jennifer, die mit einem knappen Nicken Duponts jungenhafte Schmachtlocke stärker hervorhob.
    »Wahrscheinlich kennt hier jeder ein paar Zeilen von Cecil auswendig«, fuhr er fort, blickte schmunzelnd die vollen Sitzreihen entlang und erntete wie schon zuvor eine Mischung aus Vorbehalt und Neugier; es war, als wollte er jeden Einzel nen auffordern, diese Zeilen aufzusagen. »Er war ein erstklassiges Beispiel für einen zweitklassigen Dichter, der stärker im allgemeinen Bewusstsein verhaftet ist als manch größerer Meister. ›Ganz England erzittert, wenn erglühn / die Rosen, die im Mai erblühn‹ … ›Zwei gesegnete Morgen von englischem Grund‹.« Leicht spöttisch, wie ein Schullehrer, schaute er in die Runde. »Wie einige von Ihnen vielleicht wissen, habe ich später die Gedichte von Cecil Valance herausgegeben, ein Projekt, das ohne Peters frühen Zuspruch wohl nicht zustande gekommen wäre.« Er nickte bedächtig, als würde er die glückliche Fügung darin erkennen. Diese Tatsache war Rob entfallen, und sie brachte Jennifer und Dupont auf unerwartete Weise in Beziehung zueinander, was ihm besonders gefiel.
    »Also …« Dupont machte eine Pause, als müsste er sich erst wieder orientieren; eine erneute Aufforderung, ihm beim Improvisieren zuzugucken, hinter der er geschickt seine Eitelkeit verbarg. Die eine Hälfte des Publikums ließ sich davon blenden, die andere, ältere Kollegen von Peter, Freunde der Familie, die noch nie von Dupont gehört hatten und den Sinn seines Auftritts hier erst noch begreifen mussten, reagierte mit leicht beleidigter, verständnisloser Miene, Standardreaktion auf jeder Versammlung. Ein paar Zuhörer waren sicherlich mit seinen bahnbrechenden Arbeiten zur Queer Theory vertraut und jetzt angenehm überrascht, dass er auch in einer ganz normalen, verständlichen Sprache sprechen konnte, wenn es darauf ankam. Rob brauchte sich weder auf die eine noch die andere Seite zu schlagen, neugierig und amüsiert betrachtete er Jennifers Knie, und sie übergab ihm mit schiefem Lächeln die bekritzelte Visitenkarte: Ihre Skizze, zwischen Cartoon und Porträt, hatte Dupont exzellent getroffen. Rob prustete stumm, und als er jetzt erneut über die Stuhlreihen hinweg nach hinten schaute, sah er wieder den großen blonden Mann, der ihn anlächelte, ihm zuzwinkerte und sich gemächlich abwandte. Rob fand es unangebracht, auf einer Gedenkveranstaltung für einen Verstorbenen zu cruisen, auch wenn Peter wohl nichts dagegen gehabt hätte. Er sah zur Seite, und sein Blick fiel auf Desmond, den er mit einer gewissen respektvollen Neugier musterte; er saß kerzengerade auf seinem Stuhl, blickte jedoch wie gebannt auf Duponts schwarze Halbschuhe. »Also«, wiederholte Dupont, »was, äh … Peter ein ›streng viktorianisches Haus‹ genannt hat, dazu ein Dichter des Ersten Weltkriegs mit einem interessanten Privatleben … Wie man sieht, war Corley Court für Peters Arbeit so fruchtbar und folgenreich, wie es später für meine werden sollte. Seine beiden wegweisenden Serien, Schriftsteller im Krieg für Granada und Viktorianische Träume für BBC 2, wurden dort gewissermaßen ausgebrütet, an diesem außergewöhnlichen Ort, der von der Welt abgeschnitten ist und doch« – er schmunzelte über die Schönheit seines Gedankens – »Zeugnis von ihr ablegt … in vielerlei Hinsicht.«
    Robs Blick folgte dem Halbrund der ersten Reihe, in der die nachfolgenden Redner saßen, die Dupont mit höflich ungeduldiger und etwas besorgter Miene zulächelten. Ganz außen saß Paul Bryant, der etwas in sein ausgedrucktes Manuskript schrieb, wie jemand, der eine Diskussion verfolgte. Peters Vater hatte eine vom Kummer gezeichnete, doch neugierige Miene, als würde er noch immer wichtige Dinge über seinen Sohn erfahren. Diese Feier, vier Monate nach Peters Tod, war sicher nicht leicht für ihn. Doch etwas anderes, peinlich und komisch zugleich, ließ sich jetzt nicht länger ignorieren. Ganz allmählich war Duponts volltönendes Schnurren, eine Art gesteigerte Vertraulichkeit, die den hohen Raum unabhängig von den beiden auf Ständern montierten Lautsprechern erfüllte, zu einem Geräusch von bescheidener Reichweite dahingeschwunden. Zunächst war er deutlicher vernehmbar gewesen, nachdem das verschleiernde Echo beseitigt worden war, doch dann immer leiser geworden, als zeigte sich dahinter ein

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