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Fremden Kind

Fremden Kind

Titel: Fremden Kind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A Hollinghurst
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Vorliebe gehabt hatte.
    »Sie haben ihn wohl gut gekannt.«
    »Eigentlich nicht, leider. Ich bin mit seinen Fernsehserien groß geworden, aber persönlich kennengelernt habe ich ihn erst viel später.«
    »Die Serien habe ich geliebt.«
    »Wir hatten geschäftlich viel miteinander zu tun … Entschul digung, das sollte ich dazusagen, ich bin Buchhändler.« Rob holte aus seiner Anzugtasche ein kleines durchsichtiges Ku vert und gab ihr seine Visitenkarte: Rob Salter, Garsaint.com, Bücher und Handschriften.
    »Ah, ja! Sehr schön …« Sie sah sie sich genau an.
    »Er besaß eine große Kunstbibliothek.«
    »Das kann ich mir vorstellen. Ist das Ihr Sammlungsgebiet?«
    »Wir haben hauptsächlich Schrifttum nach 1880; Literatur, Kunst und Design.«
    Sie steckte die Karte in ihre Handtasche. »Französische Bücher haben Sie nicht zufällig, oder?«
    »Wir können nach bestimmten Büchern suchen, falls Sie das wünschen.« Er zuckte beiläufig mit den Achseln. »Wir besorgen Ihnen alles, was Sie wollen.«
    »Hm. Ich komme vielleicht noch mal auf Sie zurück.«
    »Heutzutage, wo jede Information abrufbar ist …«
    »Schrecklicher Gedanke, finden Sie nicht?«, sagte sie und zückte ihre eigene Visitenkarte, an den Ecken abgestoßen und mit einer handschriftlich eingefügten, privaten Telefonnummer versehen: Professor Jennifer Ralph, St. Hilda’s College, Oxford . »Bitte schön.«
    »Oh …«, sagte Rob, »ja, doch … ich glaube, Villiers de L’Isle-Adam.«
    »Alle Achtung.«
    »Ich habe einige Exemplare Ihres Buches verkauft.«
    »Ah«, sagte sie, erfreut, aber trocken, »welches?«
    Ein schneidendes Heulen kam aus den Lautsprechern, als sich die hochgewachsene Gestalt von Nigel Dupont dem Pult näherte und grinsend vor dem Mikrofon in Deckung ging. Dann trat er erneut ans Pult und hatte kaum die einleitenden Worte »Meine Damen und Herren« gesprochen, als der brutale Ton wieder in den Raum sprang und von Wänden und Decke abprallte. Er konnte nichts dafür, stand aber dumm da, was er einfach nicht gewohnt war. Mit einer verlegenen Geste strich er sich das auffallend blonde Stirnhaar nach hinten. Als das Problem mehr oder weniger gelöst schien, sagte er, auf das Display seines iPhones schielend: »Bitte haben Sie Verständnis, dass sich der Beginn etwas verzögert. Peters Schwester steht im Stau.«
    »Der berühmte Dupont, nehme ich an«, sagte Jennifer ziem lich laut, als die allgemeine Unterhaltung wieder einsetzte. »Wir fühlen uns geehrt.«
    »Ich weiß …«, sagte Rob. Dupont hatte ein schmales, für die Jahreszeit ungewöhnlich sonnengebräuntes Gesicht mit einer nahezu unsichtbaren randlosen Brille und trug einen Anzug, der für sich genommen schon die schiere Überlegenheit eines gut dotierten Lehrstuhls an einer südkalifornischen Universität vermittelte.
    »Wissen Sie auch zufällig den Namen des Mannes ganz hinten – der mit der grünen Krawatte?«, fragte Jennifer und hatte sich damit das unpersönlichste Merkmal zur Identifizierung ausgesucht.
    »Wenn mich nicht alles täuscht«, sagte Rob, »ist das Paul Bryant, der die vielen Biografien geschrieben hat, die Sie vielleicht kennen – zum Beispiel eine über den Bischof von Durham, die damals für viel Wirbel gesorgt hat.«
    Jennifer nickte bedächtig. »Meine Güte … ja, tatsächlich, das ist er! Den habe ich bestimmt seit vierzig Jahren nicht mehr gesehen.«
    Ihr teils zerstreuter, teils spöttischer Blick in den Raum amüsierte ihn. »Woher kennen Sie ihn?«
    »Hm?« Jennifer rutschte etwas tiefer in ihren Stuhl, als wollte sie sich vor Bryant verstecken, aber auch, um vertraulicher mit Rob plaudern zu können. »Vor etlichen Jahren schrieb er an einem seiner Bücher, es war sogar sein erstes, und mit dem hatte er auch schon für Wirbel gesorgt – es ging um meinen … Großonkel.« Sie schüttelte die unnötige Erklärung ab.
    »Ja … war das Cecil Valance?«
    »Genau!«
    »Cecil Valance war also Ihr Großonkel …?«, sagte Rob verwundert, fast ein bisschen spöttisch.
    »Tja« – sie stöhnte auf, und er stellte sie sich in einem Unterrichtsraum auf ihrem College vor, in einem schwierigen Seminar über Mallarmé oder ein anderes Thema, das für die Studenten zu hoch war. »Wollen Sie das wirklich wissen?«
    »Unbedingt«, sagte Rob ehrlich und mit dem Gefühl, es könnte langweilig werden, sobald die Veranstaltung losging. Die Valance-Biografie war zu seiner Studentenzeit herausgekommen, Ausschnitte daraus hatte er in der Sonntagszeitung

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