Fremden Kind
hatten, son dern vielmehr, dass sie in ihrer erstaunlichen allgemeinen Unschuld keinen blassen Schimmer hatte und ihre Mutter mit Fragen löchern würde und ihre Mutter wiederum Vermutungen anstellen, kühler und abgefeimter.
»Miss Sawle!«, sagte Cecil und lupfte beim Nähertreten seinen geborgten Strohhut.
»Daphne!«, sagte George und tippte sich mit einem mokanten Lächeln an den Schild von Cecils Mütze.
Daphne blieb einen Meter vor ihnen stehen und musterte sie. »Wie schön«, sagte sie. »Irgendwas ist komisch an euch.«
»Oh …« Die beiden Jungen gafften sich schäkernd mit offenem Mund an, klopften sich gegenseitig auf die Schultern, George ängstlich und angespannt, es könnte noch etwas anderes »Komisches« zu sehen sein. Cecils ganzer Körper glühte förmlich vor unaussprechlicher Lust, doch Daphne erwiderte nur das Gaffen und wandte dann in der wohligen Ungewissheit, vielleicht doch nur wieder Opfer ihrer Scherze geworden zu sein, den Blick ab. »Ach, ich weiß auch nicht«, sagte sie. Merkwürdig und auf seine Art beruhigend, dass sie nicht auf das Naheliegende kam.
»Was für ein außergewöhnlich hübscher Hut, wenn Sie gestatten«, sagte Cecil, als sie sich alle drei auf den Rückweg machten.
Daphne sah mit einem idiotischen Lächeln zu ihm auf. »Oh, vielen Dank, Cecil!«, sagte sie. »Danke schön!« Und etwas später, im Weitergehen: »Ja, ich habe schon jede Menge Komplimente für diesen Hut bekommen.«
George störte es sehr, dass Daphne den Heimweg gemeinsam mit ihnen antrat – zwanzig Minuten, die Cecil und er sonst für sich gehabt hätten. Er rechnete sich schon aus, wie viele Gelegenheiten ihnen bis morgen, wenn der Lieferwagen kam, noch blieben. Nach dem Abendessen konnten sie sich vielleicht zum Rauchen davonstehlen, und natürlich konnten sie morgen sehr früh aufstehen und zu Fuß zum Bahnhof ge hen; Jonah würde Cecils Gepäck im Lieferwagen nachbringen. Angestrengt überlegte er, wie er diesen Vorschlag unterbreiten sollte, beteiligte sich eher lustlos an der Plauderei. Im mer wenn sie stehen blieben, um dem anderen vor einer Lücke im Unterholz den Vortritt zu lassen, tätschelte George seinen Freund, und manchmal erwiderte Cecil diese Berührung geistesabwesend. Kurz darauf verließen sie den Wald über einen anderen Pfad, und dann standen sie wieder auf der Landstraße. Ein Wagen, hoch beladen mit einem Heufuder, zockelte ächzend vorüber, ein Automobil, hupend und qualmend, holte auf. Ihm schien, dass Cecil ein unnötig übertriebenes Interesse an Daphne zeigte, sich zu ihr neigte, wenn sie etwas sagte, sie abschirmte, als das stinkende Auto an ihnen vorbeiraste. Er erkannte aber auch seine eigene dumme Eifersucht, während er diesem komischen Paar hinterherdackelte, dem dunkelhaarigen athletischen Mann, dessen Ohren sich durch den zu weiten Strohhut nach außen wölbten, und dem kleinen Mädchen mit dem roten Hütchen, das emsig neben ihm hertrottete.
Da tauchte auch schon das rote Steildach von Two Acres auf, das niedrige Mäuerchen, das Gartentörchen, die Reihe der dunkelblättrigen Kirschbäume vor dem Esszimmerfenster. Die Haustür stand offen, wie immer im Sommer, wies in die schattige Halle. Die Tür zum Garten auf der Rückseite des Hauses stand ebenfalls offen, sanft schimmerte das Nachmittagslicht auf den gebohnerten Eichendielen, auf einer Porzellanschale – man konnte durch das Haus gehen wie ein Luftzug. Über der Tür das genagelte Hufeisen, darunter das alte Palmenkreuz. George spürte, wie sich die unsichtbaren magischen Kräfte, die verschiedenen Systeme des Glücks in die Quere kamen. Sie ließen sich hier auf etwas absolut Außergewöhnliches ein, er und Cecil, ein verrücktes schwin delerregendes Abenteuer. Am Garderobenständer in der Halle hingen Huberts tadellose Melone und der alte Billycock seines Vaters, der immer dortblieb, als könnte er eines Tages zurückkehren oder wäre zurückgekehrt und hätte das Bedürfnis verspürt, gleich wieder zu gehen. Cecil sah sich um, nahm Georges Strohhut vom Kopf und warf ihn mit einem leichten Drall gekonnt durch die Luft, sodass er auf einem freien Haken landete. »Ha!«, rief er mit einem zufriede nen Grinsen in Richtung George, dessen Hand zitterte, als er Cecils Mütze danebenhängte.
12
S ie haben ein Wunder vollbracht, Cecil«, sagte Daphne.
»Mein liebes Mädchen …«, erwiderte Cecil selbstge fällig.
»Sie haben Wasser in Wein verwandelt.«
»Nun ja«, brummte Hubert mit einem
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