Fremden Kind
eigentlich nicht.«
»Dann war es ja kein großer Spaziergang für Sie.«
»Als ich euch traf, bin ich natürlich mit euch nach Hause gegangen.«
Sie spürte, dass er ihren Arm fester an sich zog, spürte Cecils wunderbare erwachsene Präsenz, seine Muskeln, seine Körperwärme unter der Kleidung, und selbst seine Stimme, vorher schneidend und dominierend in ihren Ohren, verdrehte ihr jetzt den Kopf. »Dann muss es wohl jemand anders ge wesen sein, den wir heute Nachmittag gesehen haben. Ich sagte noch zu George: ›Ist das nicht Daphne?‹, aber als er endlich aufblickte, war die Person schon wieder verschwunden.«
»Kann sein, dass ich das war. Haben Sie gerufen?«
»Na ja, ich war mir ja nicht sicher.«
»Viele Leute gehen da spazieren.«
»Ja, stimmt«, sagte Cecil. »Jedenfalls haben Sie uns nicht gesehen.«
Wieder hatte Daphne das Gefühl, etwas nicht mitzubekommen, doch die Aufregung, sich mit einem erwachsenen Mann zu unterhalten, riss sie mit, und wie zur Bestätigung drückte sie seinen Arm. »In dem Fall hätte ich euch gegrüßt.«
»Das habe ich mir gedacht.«
»Ehrlich gesagt, liegt es an George. Er will nicht, dass ich mich an ihn hänge.«
Cecil murmelte irgendetwas Abfälliges, und sie drehten sich um. »Jetzt sieht man schon besser«, sagte er.
»Da ist der berühmte Steingarten.«
»Ich weiß.« Sie hatte den Eindruck, dass er den Steingarten noch immer ein bisschen belächelte, und das gab ihr den Mut zu fragen: »Wann darf ich mal nach Corley kommen, Cecil?«
»Nach Corley? Hmm …« Es war, als hätte er noch nie von einem Ort dieses Namens gehört, und ganz sicher erinnerte er sich auch nicht an die vorher ausgesprochene Einladung. Dann lachte er. »Mein liebes Mädchen, wann immer Sie wollen.«
»Oh, danke schön.«
»Wann immer Sie wollen«, wiederholte er und weitete damit seine Einladung um eine Nuance aus, die sie nahezu aufhob. »Aber ich nehme an, vor den Weihnachtsferien wird es damit wohl nichts.«
Für Daphne hieß das, so gut wie nie. »Nein, wohl nicht.«
»Überreden Sie doch George, dass er Sie mal mitbringt.«
Sie gingen weiter, auf die schwarze Silhouette des Steingartens zu, den man bei Nacht auch für eine große Felsnase in der Ferne halten konnte. Heiser, wie beiläufig, sagte Daphne: »Ich könnte auch allein kommen.«
»Würde Ihre Mutter das erlauben?«
»Ich bin doch schon beinahe erwachsen.«
Cecil schwieg, drängte gewohnt zuversichtlich weiter, und sie glaubte, ihn warnen zu müssen: »Passen Sie auf, da ist eine Stufe«, schrie sie beinahe, als er bereits stolperte und stark mit dem rechten Bein einknickte, sich wieder fing, doch sie mitriss und bei dem Versuch, sie aufzufangen, erneut zu Boden ging.
»Oh, verdammt, haben Sie sich wehgetan?«
»Nichts passiert …!« Ihre Fußkante, auf die er mit voller Wucht getreten war, zuckte vor Schmerz.
»Immer wenn wir nach draußen gehen, stolpern wir am Ende übereinander!«
»Ja!«
»Und jetzt habe ich auch noch meine verflixte Zigarre verloren.«
Sie standen von Angesicht zu Angesicht, Daphnes Herz raste noch immer vor Schreck, und Cecil schlang seine Arme um ihre Taille und drückte sie an sich, sodass sie den Kopf drehen musste und ihre Wange das kalte Revers seiner Jacke berührte. Er strich ihr mit einer Hand über den Rücken, auf und ab, über das warme Tweed von Georges Jackett. »Blöde Stufe …«, sagte er.
»Ist nicht so schlimm«, sagte Daphne. Ihr graute vor dem Anblick ihres Schuhs, wenn sie wieder im Haus wären, doch Cecil war schlimmer dran, und augenblicklich wurde ihr klar, dass man ihm nie die Schuld für irgendetwas geben konnte. »Ich habe keine Ahnung, wie diese Stufe auf einmal dahin gekommen ist«, sagte sie leise und legte noch mal nach: »Diese verdammte Stufe!«
Cecil seufzte lachend in ihren Haarschopf hinein. »Ach, Kindchen, Kindchen …«, sagte er mit einer Sanftheit und Traurigkeit in der Stimme, die ihr neu waren, die sie nicht mal von ihrer Mutter kannte. »Was sollen wir nur tun?«
Daphne befreite sich ein Stück aus der Umarmung. Sie war bereit, das Ihrige zu tun, empfand es als Privileg, Cecils Aufmerksamkeit zu haben, und es war ein wundervolles Gefühl, von ihm gehalten zu werden, doch sein Ton behagte ihr nicht. »Sie müssen doch sicher noch packen, oder?«
»Ha …«, sagte Cecil, und sie hörte eine ungewöhnliche Verzweiflung heraus, es klang wie seine Dichterstimme.
»Ich finde … sollen wir nicht lieber ins Haus gehen?«
»Ja, ja«, sagte
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