Fremden Kind
er. »Können Sie ein Geheimnis für sich behalten, Daphne?«
»Im Allgemeinen ja«, sagte Daphne.
»Dann soll das unser Geheimnis bleiben.«
»Na gut.« Sie wusste nicht genau, ob sie ihn richtig verstanden hatte. Warum ein Geheimnis daraus machen, dass man über eine Stufe gestolpert war? Doch Cecil war es eindeutig peinlich.
Sein Griff lockerte sich etwas, und seine Hände glitten an ihr hinunter fast bis zum Gesäß, er lachte und sagte leise: »Es war mir ein Vergnügen, Sie kennenzulernen.«
»Oh …«, sagte sie, wie gebannt von seinen Händen. »Das Gleiche gilt für uns. Es war einmalig!«
Er beugte sich zu ihr herunter und küsste sie auf die Stirn, als wollte er sie zu Bett schicken, doch dann fuhr er mit der Nasenspitze über ihre Wange und küsste sie neben den Mund, in seinen nach Zigarren riechenden Atem hinein, und schließlich, ohne jede Leidenschaft, auf die Lippen. »Da!«, sagte er.
»Seien Sie nicht albern, Cecil«, antwortete sie. »Sie sind betrunken.« Er legte den Kopf schief, stülpte seinen geöffneten Mund über ihre Lippen und setzte auf ziemlich idiotische, widerliche Weise mit der Zunge ihren Zähnen zu. Sie schob ihn von sich und befreite sich halb aus der Umarmung. Sie war aufgebracht, behielt jedoch Haltung, lachte sogar einigermaßen sarkastisch.
»Darf ich Sie nicht küssen?«, sagte Cecil versonnen.
»Das nennen Sie küssen, Cecil?«
»Hm …? Was nennen Sie denn küssen, Daphne?« Es klang tumb und spöttisch und leicht gereizt; und wie ein Tänzer im Aufflammen seiner plötzlich unwiderstehlichen Kraft riss er sie erneut an sich in seinen Klammergriff. »Vielleicht das hier?« Wieder fing er an, und diesmal flatterten seine Lippen über ihr ganzes Gesicht, und wie in einem quälenden Spiel gestattete er ihr auszuweichen, den Kopf ein wenig zur Seite zu drehen, hielt jedoch ihre Taille so eng umschlungen, dass die harten Kanten des Zigarrenetuis in seiner Hosentasche schmerzhaft gegen ihren Bauch drückten. Sie hörte sich kichern, hecheln und, ehe sie es verhindern konnte, in kindlicher Unterwerfung und Niederlage leise aufschluchzen und dann gedämpft wimmern.
»Hallo?« Das war George, zurück von den Cosgroves. Bestimmt suchte er nach ihnen, oder nicht? Zaghafte Erleichterung, in die sich umgehend Stolz mischte. Aber nein, es war Huey, mit einer seltsamen Stimme, verunsichert, doch eigentlich ziemlich verärgert. »Ich muss schon sagen …«
Cecil lockerte den Klammergriff und seufzte nachsichtig, machte Daphne jedoch mit einem höhnischen Grinsen klar, dass er nicht aufgegeben hatte. Er sah sich um, blickte über die Sträucher hinweg, wer da rief; vielleicht glaubte ja auch er, dass es George war, und ihr wurde wieder klar, wen ihr eigenes Geheimnis mit Cecil in erster Linie betraf. Sie muss ten beide vorsichtig sein, er hatte ihr Angst gemacht, doch meinte sie immer noch, er werde schon wissen, was er tut. »Hier sind wir«, sagte sie mit tränenerstickter Stimme.
»Ist was passiert?«
»Ich bin über die verdammte Stufe gestolpert«, sagte Cecil gedehnt. »Dabei bin ich anscheinend Ihrer Schwester auf den Fuß getreten.«
Hubert, nur in Umrissen erkennbar, machte einen indignierten, aber unentschlossenen Eindruck. »Kannst du mit dem Fuß auftreten?«, fragte er überdeutlich, als spräche er in ein Telefon.
»Natürlich kann ich das, wir wollten ja gerade ins Haus gehen.«
»Es ist sowieso viel zu dunkel, um sich draußen herumzutreiben«, sagte Hubert.
»Darum ging es ja gerade«, sagte Cecil. »Wir wollten uns die Sterne angucken.«
Skeptisch blickte Hubert zum Himmel. »Dafür ist es heute Abend zu bewölkt«, sagte er und wandte sich zum Haus.
Daphne wälzte sich mal auf die eine, mal auf die andere Seite, müde von den eigenen Gedanken, die sie gleichzeitig wach hielten. Im rechten Fuß ein pochender Schmerz, ein Bluterguss zeichnete sich ab.
Manchmal verlor sie fast das Bewusstsein, wachte aber bei dem Gedanken an Cecils Nähe, an seine Kraft und an seinen Atem mit Herzrasen wieder auf. Sein Körper war außerordentlich hart und fest, sein Atem warm, feucht und bitter.
Cecil war betrunken gewesen, gewiss, zwei Flaschen Wein hatten sie beim Dinner geleert, den Rheinwein mit der Frakturschrift auf dem Etikett. Daphne wusste, was Alkohol bei Menschen anrichten konnte, und nach ihrer eigenen kleinen Episode mit dem Ginger-Brandy am Freitagabend wusste sie noch besser, was für ungewöhnliche Freiheiten Trinker sich herausnahmen. Sie hatten ihren
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