Fremden Kind
während Mrs Kalbeck jetzt durch die Haustür gewackelt kam, erst auf den einen, dann auf den anderen Stock gestützt. Sie erschrak, als Rubbish an ihr hochsprang, die Vorderpfoten auf ihren Bauch legte und um sie herumtänzelte. Keuchend trat die alte Dame zwei Schritte zurück, der Hund ließ von ihr ab und schnüffelte an ihren Beinen und festen runden, schwarzen Schuhen. Danach brauchte sie eine Weile, um herauszufinden, woher die Stimme des jungen Mädchens kam.
»Wie schön, dass man Sie auch mal wiedersieht, Frau Kalbeck«, sagte Dudley und humpelte schnell, aber mit schweren Schritten auf sie zu, sodass es beinahe so schien, als wollte er mit ihr spielen, sie nachmachen oder sich einfach nur auf sie einstimmen. »Bitte, beachten Sie meine Kinder gar nicht.«
»Oh, Darling, nicht doch«, sagte ihre Mutter. »Die Kinder haben mich gefragt, ob sie die Gäste aufs Zimmer bringen dürfen.«
Dudley drehte sich um, in seinen Augen das »irre Flackern«, wie sie es nannten. Die Stimmung trübte sich, wie so häufig, doch mit einem schlichten: »Ach, die lieben Kleinen« ließ er von den Kindern ab.
Mrs Kalbeck brauchte eine Ewigkeit auf der Treppe. Wilfrid schaute auf die Gummipfropfen an den Stockspitzen, wenn sie Halt auf den polierten Eichenstufen suchten. »Es ist wirklich gefährlich«, versicherte er ihr. »Ich bin hier auch schon gestolpert.« Verantwortlich für sie zu sein machte sie interessant und flößte ihm gleichzeitig Furcht ein. Er hüpfte neben ihr die Stufen hinauf und hinunter, spornte Mrs Kalbeck an und ermaß ihren sich mit jedem Mal verringernden Fortschritt. Corinna und Granny Sawle waren vorausgegangen, und er hatte wie immer Angst, er könnte zu spät kommen und sein Vater würde schimpfen. »Das ist ein viktorianisches Haus«, erklärte er.
Mrs Kalbeck lachte zwischen ihren Seufzern und sah Wilfrid ruhig, aber liebenswürdig an. »Ich auch, mein Schatz.« Sie sprach mit ihrem geschliffenen deutschen Akzent, und ihre großen grauen Augen blickten den Jungen an, als wollten sie ihn verhexen.
»Gefällt es Ihnen?«
»Dieses herrliche alte Haus?«, sagte sie munter, spähte jedoch mit bangem leerem Blick an ihm vorbei die polierten Treppenstufen hinauf.
»Mein Vater kann sich nicht damit anfreunden«, sagte Wilfrid. »Er will alles verändern.«
»Tja«, sagte sie enttäuscht. »Wenn er meint.«
Mrs Kalbeck war im Gelben Zimmer untergebracht, auf der Rückseite des Hauses, und Wilfrid ging ihr auf dem mit einem Teppichläufer belegten Flur ein paar Schritte voraus. Sie kamen an der geöffneten Tür zu Granny Sawles Zimmer vorbei, in dem Corinna bereits ihr Geschenk erhalten hatte, einen knallroten Schal, den sie vor dem Spiegel stehend begutachtete. Es war ein heiterer, bestechender Raum, und Wilfrid wollte ihn schon betreten, widerstand dann aber der Versuchung und ging weiter. Die nächste Tür, gegenüber, führte zum Schlafzimmer seiner Eltern. »Dieses Zimmer dürfen Sie nicht betreten«, sagte er, »nur wenn meine Eltern es Ihnen erlauben.« Es war ihm peinlich, dass er Mrs Cows richtigen Namen nicht wusste, gleichzeitig hatte er diebische Freude daran, sie nur unter ihrem Spitznamen zu kennen. Er wollte ihrem schwarzen Kleid, ihrem Geruch – nach weißen Blumen, irgendwie säuerlich und unglücklich – nicht zu nahe kommen. »Mrs Ka…«, sagte er zaghaft.
»Ja, Wilfrid.«
»Ich heiße nicht Fillfried, Mrs Ka…!«
Die alte Dame blieb stehen und schob folgsam die Lippen vor. »Will-frid«, sagte sie und errötete leicht, was wiederum Wilfrid in Verlegenheit brachte. Er schaute zur Seite. »Was wolltest du sagen, mein lieber Will-frid?« Doch jetzt konnte er nicht mehr. Er hüpfte weiter den langen, sonnendurchfluteten Flur entlang und überließ es ihr, ihn einzuholen oder nicht.
Die Tür zum Gelben Zimmer war offen, und Sarah, die ihm nicht gerade die liebste unter den Hausmädchen war, stand über Mrs Kalbecks alten blauen Koffer gebeugt und durchforstete mit leicht amüsierter Miene den Inhalt. Als Mrs Kalbeck das sah, schlingerte sie rasch vorwärts und wäre beinahe gefallen, weil ein Vorleger unter ihrem Stock wegrutschte. »Oh, lassen Sie mich das machen!«, sagte sie. »Ich kann ihn allein auspacken.«
»Es macht keine Umstände, Madam«, sagte Sarah kühl lächelnd.
Erschöpft ließ sich Mrs Kalbeck auf dem Stuhl vor der Frisierkommode nieder, schnaubte unentschlossen, konnte aber nichts ausrichten. »Ach, diese alten Sachen …«, sagte sie und blickte von dem
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