Fremden Kind
Wilfrid den Halt und plumpste mehrere Stufen hinab, auf die Hüfte und den Po. Daphne verkrampfte sich, leicht verärgert, doch Wilfrid humpelte durch die Halle, am Tisch vorbei – sah dabei genauso aus wie sein Vater –, und als er vor lauter Selbstmitleid anfing zu wimmern, wurde er schon durch das Nächstliegende abgelenkt.
Wilkes erschien mit dem neuen schottischen Jungen, und Daphne überließ ihnen den Vortritt, damit sie sich um den Wagen und das Gepäck kümmern konnten, während sie selbst das Geschehen von der Veranda aus verfolgte. Es war schrecklich, es sich einzugestehen, doch ihre Freude über den Besuch ihrer Mutter fiel ein wenig verhalten aus, wenn sie daran dachte, wie sich ihr Mann nach ihrer Abreise über sie äußern würde. Wilkes fügte sich Freda artig und lächelnd und mit seinem intuitiven Gespür für die Bedürfnisse eines Gastes. Daphne sah eine sehr attraktive Gestalt – fesch, mit Teint, in einem neuen blauen Kostüm, gerade einmal wadenlang, und einem modischen Hütchen –, in der sich dennoch auf sehr anrührende Weise auch ihre Bedenken gegen den Besuch bei ihrer Tochter zeigten. Der hübsche Junge bot Clara Kalbeck seine Hilfe an, eine diskrete körperliche Angelegenheit: Sehr langsam, aber entschlossen kam sie, ganz in Schwarz gehüllt und an zwei Stöcken gehend, über den Kies und folgte Freda wie ein Schatten ihres Alters.
2
W ilfrid sah kurz zu seiner Schwester und spähte dann wieder durch den Spalt zwischen den Fensterläden. Sein Bein brannte vor Schmerz, und sein Herz pochte, aber er hoffte immer noch, dass er alles richtig machen würde. Jetzt sah er Robbie mit den Koffern auf das Haus zukommen, und er beugte sich ein Stück vor, um ihn zu beobachten und das Türchen mit der Wange an. »Erst wenn ich sage«, er mahnte Corinna ihn. Robbie schaute auf und gab ihnen ein Zeichen.
»Ich weiß«, sagte Wilfrid und schielte im Dämmerlicht eingeschüchtert und verstimmt zu ihr hinüber. Die anderen standen noch am Portal und schienen in endlose Erwachsenengespräche verwickelt. Er hörte sie lauter dummes Zeug reden, am liebsten hätte er sofort losgerufen, doch hatte er auch Angst, wie Corinna festgestellt hatte. Das Wochenende mit seinen fremden Gästen und Herausforderungen rückte bedrohlich näher. Morgen würden noch mehr Leute eintreffen – Onkel George und Tante Madeleine kannte er, aber dann kam noch ein Mann aus London, der Onkel Sebby hieß. Sie würden reden und reden, aber irgendwann würden sie aufhören zu reden, und dann würde Corinna Klavier spielen und Wilfrid seinen Tanz aufführen. Er fühlte sich ganz leer vor Sorge und Aufregung. Wenn in der Halle ein Kaminfeuer brannte, war dieser kleine höhlenartige Durchgang warm und stickig, jetzt roch er nach kaltem Stein. Nur gut, dass er nicht allein war. Endlich trat Granny Sawle durch die Haustür, warf einen knappen ausdruckslosen Blick zum Kamin, und Wilfrid wusste sofort, dass sie mit der Überraschung rechnete – was sie ihm jedoch keineswegs verdarb, ja, eigentlich noch schöner machte, und nachdem Granny ihm pflichtbewusst den Rücken zugekehrt hatte, stieß er die Lamellentür auf und rief: »Hallo, Granny!«
»Noch nicht, Wilfrid!«, heulte Corinna auf. »Du machst alles kaputt.« Doch Granny hatte sich bereits umgedreht, eine Hand am Herz.
»Oh!«, sagte sie, »oh!«, worauf Corinna ihre Fensterläden ebenfalls aufstieß und die richtige Begrüßung vortrug: »Herzlich willkommen auf Corley Court, Granny Sawle und Mrs Kalbeck!«, übermütig im Chor mit Wilfrid, der dadurch seinen Fehler wettzumachen versuchte, und obwohl Mrs Kalbeck es noch gar nicht bis ins Haus geschafft hatte.
»Wirklich erstaunlich!«, sagte Granny. »Hier können ja die Wände sprechen!« Wilfrid kicherte vergnügt. »Ah, Dudley, mein Lieber.« Ihr Vater war erschienen, der Hund bellte, Granny hob die Stimme: »Dieser betagte Kamin hat wundersame Eigenschaften.«
»Rubbish! Rubbish!«, rief sein Vater, als der Hund jaulend und bibbernd zur Haustür lief. »Komm her, Rubbish, komm her! Pfui!« Rubbish verweigerte wie üblich den Gehorsam, schließlich wollte er jeden auf seine persönliche Weise auf Corley begrüßen.
»Ganz wundersam!«, legte Granny nach.
»Nicht mehr lange, nicht mehr lange«, sagte Dudley bedeutungsvoll und küsste sie auf die Wange. »Raus da, aber sofort!« Es war nicht klar, ob er die Kinder oder den Hund anbrüllte.
»Wilfrid hat es vermasselt«, sagte Corinna, noch im Verkündigungston,
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