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Fremden Kind

Fremden Kind

Titel: Fremden Kind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A Hollinghurst
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Büro.« – »Sehr wohl, Madam.« Es war ein kleiner Wettbewerb der Willensstärke, in dem der dezente, aber machtlose Wilkes von der forschen Mrs Riley vernichtend geschlagen wurde. Eine Minute später kam Wilkes ins Zimmer, um das Kaminfeuer zu versorgen, und sagte: »Mrs Riley ist da, my Lady. Sie ist ins Büro gegangen, wie sie es nennt.«
    »Danke. Sie war nicht zu überhören«, sagte Daphne, bedeckte den Briefbogen etwas mit ihrem Ärmel und schaute auf. Für einen Moment tauschten Wilkes und sie einen ungewöhnlich innigen Blick. »Ich nehme an, sie hatte ihre Pläne dabei.«
    »Ja, Madam, den Eindruck hatte ich.«
    »Diese Pläne!«, sagte Daphne. »Bald werden wir uns hier nicht mehr zurechtfinden.«
    »Ja, Madam«, sagte Wilkes und schlüpfte mit seiner weiß behandschuhten Hand in einen schwarzen Fäustling, der in dem Korb für Scheite bereitlag. »Aber noch sind es ja nur Pläne.«
    »Hm. Sie meinen, es könnte nichts daraus werden.«
    Wilkes lächelte etwas förmlich, als er ein kleines Scheit auf den brennenden Holzhaufen legte und den anschließenden Funken- und Ascheregen einzudämmen versuchte. »Vielleicht nicht vollständig, Madam, und auf jeden Fall wären sie nicht … unumkehrbar.« Vertraulich fuhr er fort: »Wie ich gehört habe, ist Lady Valance mit dem neuen Speisezimmer jedenfalls einverstanden.«
    »Man kann sie wohl kaum einen Freund von Veränderungen nennen«, sagte Daphne trocken, doch mit dem gebührenden Respekt vor der Loyalität des Butlers. Bei zwei Ladys Valance im Haus galt es sprachliche Feinheiten zu beachten, über die auch ein Wilkes gelegentlich stolperte. »Den neuen Salon fand sie gestern Abend immerhin ›sehr erholsam‹.« Daphne widmete sich wieder ihrem Brief, und nachdem Wilkes noch ein paarmal prüfend im Feuer herumgestochert hatte, verließ er den Raum.
    »Komm lieber nicht an diesem Wochenende, wir haben volles Haus, dazu Familie &c (meine Mutter). Obendrein hat sich auch noch Sebby Stokes angekündigt, um sich Cecils Gedichte anzugucken. Es wird also so etwas wie ein ›Cecil-Wo chenende‹, und Du würdest kaum zu Wort kommen! Obwohl vielleicht« – im selben Moment surrte die Stockuhr los und schlug hektisch elfmal, wobei sich durch den plötzlichen Kraftaufwand die Ketten mit den Gewichten rasch abspulten. Nachdem das Echo verhallt war, brauchte Daphne einen Moment, um sich zu sammeln. Andere Uhren – etwas versetzt stimmte jetzt die Standuhr in der Halle ein – bewiesen etwas mehr Rücksicht, wie aufmerksame Diener verkündeten sie die Zeit im ganzen Haus. Nicht so der kleine Rabauke aus Messing im Frühstückszimmer, der es ganz schnell hinter sich brachte. »Das Leben ist kurz!«, rief er. »Beeil dich, bevor ich das nächste Mal schlage!« So lautete schließlich ihr Motto: Carpe diem! Sie besann sich eines Besseren, strich das »Obwohl vielleicht« durch und unterschrieb kurzerhand: »Grüße von uns beiden, Duffel«.
    Sie brachte ihren Brief in die Halle und blieb kurz vor dem massiven Eichentisch in der Mitte des Raums stehen. Er er schien ihr plötzlich wie das Wahrzeichen und Wesen von Corley. Die Kinder tobten darum herum, der Hund verkroch sich unter ihn, und die Hausmädchen polierten ihn unermüdlich als wären sie Hüterinnen eines Kults. Ohne Funktion, sperrig, ein Hindernis für jeden, der den Raum durchquerte, nahm er doch einen festen Platz in Daphnes Glück ein, aus dem er nun mit Gewalt vertrieben werden sollte, wie zu befürchten stand. Wieder fiel ihr auf, wie imposant die Halle war, die dunkle Holzverkleidung, die neogotischen Fenster, in denen sich das Wappen der Valances beharrlich wiederholte. Würden wenigstens die bleiben dürfen? Der Kamin sah aus wie eine kleine Burg, mit Zinnen statt eines Simses und Türmchen auf beiden Seiten, darin Fensterchen mit Fensterläden, die man öffnen und schließen konnte. Dieses Prachtstück war ganz besonders Gegenstand von Eva Rileys Sarkasmus; es war tatsächlich schwer zu verteidigen, außer indem man tö richterweise sagte, man habe es einfach lieb gewonnen. Daphne ging zur Salontür, legte die Hand auf den Griff und riss die Tür auf, als hoffte sie, jemanden dahinter zu überraschen.
    Das blendende Cremeweiß verfehlte an diesem hellen April morgen seine Wirkung nicht. Der Salon sah aus wie ein Raum in einem sehr noblen Sanatorium. Bequeme, moderne, grau bespannte Sessel hatten das Sammelsurium aus altem Peddigrohr, Chintz und schwerem, mit Fransen besetztem Samt ersetzt. Die dunkle

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