Fremden Kind
dem zotteligen Schwanz. Wilfrid richtete mutig seinen nassen Stock gegen ihn, und Corinna rief: »Rubbish!«, doch das Tier beschnüffelte sie nur flüchtig; es war beinahe kränkend für die Kinder, wie wenig sie in dem starren System von Befehl und Gehorsam eines Hundes gal ten, doch gleichzeitig war es auch eine Entlastung. »Böser Hund!«, sagte Wilfrid. Manchmal streunte Rubbish allein durch die Gegend, manchmal erschmeichelte er sich einen Spaziergang, machte dann unterwegs plötzlich kehrt und zog auf eigene Faust los; hauptsächlich jedoch fungierte er als Dudleys Vorbote, geplagt und getrieben von seinem Rufnamen. Daphne wartete nur darauf, dass sein Name gerufen wurde – ignorierte den Hund, konnte ihn ohnehin nicht leiden –, doch die Rufe blieben aus, und der Hund, ungewöhnlich rücksichtsvoll, trat nach kurzer Zeit vor, hielt inne, hob zu einem langen drängenden Jaulen an, und als Daphne sich umschaute, erblickte sie Revel unter dem Rosenspalier.
Er machte sich gut in dem floralen Rahmen. »Hast du es doch hierher geschafft, mein Lieber?!«, sagte Daphne, als hätte sie ihn ermuntert zu kommen, statt versucht, ihn davon abzuhalten. Sie hatte den Eindruck, als hätte sie eine Warnung in ihre Begrüßung gelegt, in ihren Blick, der nun sein anmutiges, scharf geschnittenes kleines Gesicht nach Anzeichen von Enttäuschung absuchte. Er dagegen beachtete sie kaum, biss sich, vorgeblich reumütig, auf die Lippe, während seine dunklen Augen erst auf dem einen, dann dem anderen Kind ruhten. Den Kindern wollte er die Entscheidung für alles Weitere überlassen – worin er sich grundsätzlich von dem Hund unterschied. »Rubbish hat mir verraten, wo ihr seid«, sagte er, trat vor, küsste Corinna auf ihren seidenweichen Haaransatz und drückte Wilfie rasch beschützend an sich, als der Hund schroff zu bellen anfing und dann, nach Erfüllung seiner Pflicht und ohne sich noch einmal umzublicken, zurück zum Haus trottete.
»Onkel Revel«, sagte Wilfrid, der die Überraschung leichter wegsteckte als seine Mutter, »malst du mir einen Brontosaurus?«
»Für dich würde ich alles malen, Darling«, sagte Revel. »Aber Brontosaurier sind ziemlich schwierig.« Er wandte sich Daphne zu, die beinahe unwillentlich aufstand und für eine Sekunde sein raues Kinn an ihrer Wange spürte. Leise sagte er: »Ich habe Dud angerufen, und er meinte, ich solle einfach kommen. Ich hoffe, du hast nichts dagegen.«
»Nein, natürlich nicht«, sagte sie. »Hat dich jemand gesehen? Der Fotograf zum Beispiel?« Wenn schon, dann sollten wenigstens die Zeitungen nichts von Revels Besuch erfahren; die Fotografen würden sich auf ihn stürzen, wenn sie ihn erblickten. Er erschien ihr durch seinen Erfolg wie auf ein Schild gehoben, in einem Licht verklärt, das sich von dem allgemeinen Leuchten des Apriltages nur unmerklich unterschied. Er war in aller Munde, vielleicht redete man nicht so viel über ihn wie über Sebby und die Gewerkschaften, doch auf jeden Fall mehr als über Dudley oder über Mrs Riley oder natürlich über sie selbst! Jetzt hatte er einen erbitterten Streit mit David ausgefochten, und der Glanz des Ruhms, der ihn umgab, war durchsetzt mit Leid. Sein Bild in den Klatschspalten des Sketch, das konnte er jetzt am wenigsten gebrauchen.
»Ich bin nur einem Kerl mit einem speckigen Filzhut begegnet, den ich vorher noch nie hier gesehen habe«, sagte Revel.
»Hm, das wird er sein«, sagte Daphne.
»Und deinen Bruder und seine Frau habe ich, glaube ich, auch erkannt.«
»Tatsächlich?«, sagte sie etwas heftig.
»Blond, Halbglatze, Nickelbrille?«
»Das klingt nach Madeleine …«
»Aber sieht nett aus«, sagte Revel mit einem Kichern, das sie so an ihm liebte. »Etwas streng vielleicht, schwerfälliger Gang, scheußlicher Hut – wenn ich das so sagen darf.«
»Ach, du kannst sagen, was du willst«, meinte Daphne. »Das machen hier alle so.«
»Ist Onkel George da?«, fragte Wilfrid.
»Ja«, sagte Revel. »Ich glaube, sie waren auf dem Weg zum Hochplateau.«
»Ausgesprochen ungezogen von ihm«, trällerte Corinna.
»Sei nicht albern«, sagte Daphne.
»Einfach lächerlich«, versuchte Corinna es erneut.
»Vielleicht besser, wenn wir uns ihnen anschließen«, sagte Daphne. Sie übernahm die Führung, schritt durch das nächste Rosenspalier, und schließlich folgten auch die Kinder, während Revel zwischen ihnen und Daphne dahinschlenderte und leicht affektiert redete, wie man es mit Kindern anderer Leute
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