Fremden Kind
leitete Dudley eine unangenehm lange Pause ein, »wird nur ein paar Schnappschüsse für den Sketch machen.«
»Ich nenne sie lieber Porträts«, sagte Goldblatt, »Gruppenporträts.«
»Wenn ihr also die unendliche Güte besäßet, seinen Anweisungen zu folgen, dann wären wir den blöden Kerl in zehn Minuten los.«
»Verbindlichsten Dank«, sagte Goldblatt. »Also, meine Damen, meine Herren …«
Sehr schnell wurde klar, dass es Dudley war, der ihnen sagte, was sie zu tun hatten. Es folgte eine quälend lange Stunde mit Sitzungen, Szenen oder Posen, um verschiedene Steinbänke herum gruppiert, und angedeuteter, peinlicher Kasperei unter den erhobenen Armen und nackten Brüsten einiger Bronze- und Marmorstatuen. Der schottische Junge machte sich nützlich, indem er den Krocketrasen einrichtete, auf dem die Gäste sodann ein Spiel vortäuschten, aus dem gleich Ernst wurde und das schmählich zugunsten weiterer Fotos an einem neuen Schauplatz aufgegeben wurde. Eigentlich interessierten den Fotografen nur drei der Anwesenden, Dudley, Sebby und Revel; Daphne und die Kinder bildeten lediglich dekorative Statisten. Dudley wusste das, veranstaltete aber ein Riesentheater, dass alle mit einbezogen wurden, und tat so, als wollte er selbst unberücksichtigt bleiben.
»Schauen Sie mal her, Goldblatt«, sagte Dudley, »Sie sollten unbedingt auch noch unsere gute Freundin Frau Kalbeck ablichten. Sie müssen nämlich wissen: Sie ist eine der Originalwalküren von Stanmore Hill.«
»Ach ja, Sir Dudley?«, argwöhnte der Fotograf.
»Nein! Bitte nicht …!«, wehrte sich Clara, zugleich geschmeichelt und gedemütigt; dennoch schien sie drauf und dran, ihre Gehhilfen wegzustecken, damit man sie auf dem Foto nicht sah.
»Wenn Sie nicht wollen, meine Liebe, lassen wir es«, sagte Daphne, die es für unwahrscheinlich hielt, dass die Zeitschrift das Foto abdrucken würde, was die Sache für Frau Kalbeck am Ende nur umso trauriger machen würde.
»Ja, vielleicht lieber doch nicht«, sagte Clara und verbarg ihre kleine Enttäuschung in einem übertriebenen Ausruf: »Wo steckt eigentlich unsere gute Mrs Riley?« Die Frage kam unerwartet, doch anscheinend hatte die alte Dame einen Narren an Eva gefressen.
»Ja, Dudley, Schatz, wo ist Mrs Riley?«, sagte Daphne kühl.
»Ach, herrje«, sagte Dudley, und in seiner Ratlosigkeit zeigte sich für eine Sekunde wieder das irre Flackern. »Robbie, lauf los und such Mrs Riley«, sagte er, und nachdem Robbie sich eilig entfernt hatte: »Vielleicht ist sie gerade sehr beschäftigt.«
»Meinen Sie Mrs Eva Riley, Sir?«, sagte Jerry Goldblatt mit einem lauernden Blick zum Haus. »Die Innenarchitektin?«
»Ja, ja«, sagte Dudley, »Die berühmte Innenarchitektin Mrs Riley, die auch das Carousel Restaurant eingerichtet hat«, als schriebe er bereits an dem Artikel für den Sketch .
»Das nenne ich einen Glückstreffer, Sir Dudley«, sagte Goldblatt.
Daphne sah, dass Dudley fast alles bekommen hatte, was er wollte; er hatte eine elegante, amüsante und wichtige Gesellschaft aus den Klauen einer anderen, die ihn zu Tode langweilte, befreit und sie, solange die Blitzlichter aufleuchteten, der Welt zur Schau gestellt. Sebby Stokes lehnte eine Beteiligung an diesem Theater rundweg ab, ahnte er doch, dass er besser nicht beim Krocketspiel fotografiert werden sollte, während sich die Nation am Vorabend eines Generalstreiks befand. Er gab Goldblatt zu verstehen, er habe noch »Kabinettsunterlagen in der Bibliothek durchzuarbeiten«. George, Neuling in der Welt der Publicity, zeigte sich resolut, machte alles mit, befolgte Revels Instruktionen für neue Posen, scheuchte hektisch die Kinder umher und zog eine ziemlich rührselige Schau mit ihnen ab. Offenbar mochte er Revel, vielleicht hatte ihre kleine Meinungsverschiedenheit über die St Pancras Station ihn gereizt. Madeleine hatte sich mit der glücklosen Solidarität der Schüchternen neben Clara niedergelassen, verweigerte sich faktisch jedoch dem Fotografen. Was Revel betraf, sah Daphne ein, dass sie sich keine Sorgen zu machen brauchte; ja, in seinem Eifer, die immer wieder neuen Arrangements selber zu dirigieren, deutete sich ein neuerlicher Konflikt an. »Ja … gut …«, sagte Dudley stirnrunzelnd, »nein, nein, mein Lieber, machen Sie nur, Sie sind der Künstler!«, schüttelte dennoch leicht verdutzt den Kopf, während Jerry Goldblatt die Beteiligten bat: »Und jetzt hätte ich gern bitte nur Lady Valance und die Kinderchen, ja?« In dem
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