Fremden Kind
gelegentlich macht, um sie zu erheitern oder auch die mitlauschenden Eltern, wenn auch auf andere Art. »In Berkshire ist seit einigen Jahren kein Brontosaurus mehr gesichtet worden«, sagte er. »Aber wie ich gehört habe, soll es andere Wildtiere geben, manche teuflisch gut getarnt in schicken weißen Hosen …« Daphne spürte die magnetische Störung, die seine Präsenz verursachte, unmittelbar, sah ihn aus den Augenwinkeln hinter sich, während sie die kleine Schar die Treppe hinaufgeleitete, durch das weiße Törchen unter dem Bogen. Bei einem Mann wie Revel fühlte man sich wunderbar und gut aufgehoben, doch hatte die Sicherheit an sich auch etwas Dynamisches. George und Madeleine waren schon da – merkwürdig, dass sie gleich nach ihrer Ankunft zu einem Spaziergang aufgebrochen waren: Vielleicht wollten sie auch nur etwas zu tun haben – Madeleine konnte sich einfach nicht entspannen – oder die Begegnung mit Dudley so lange wie anstandshalber möglich hinausschieben.
Das Hochplateau war eine riesige Rasenfläche hinter dem französischen Garten, von der aus man, obwohl der Anstieg nur geringfügig schien, eine »herrliche Aussicht auf nichts« hatte, wie Dudley sich gern ausdrückte: auf das Haus selbstverständlich und das allmählich abfallende Ackerland, das sich bis zu den Dörfern Bampton und Brize Norton erstreckte. Es war eine schlichte, unspektakuläre Aussicht, ohne unbotmäßige Abwechslung, mit ergrünenden Birken- und Pappelwäldchen hier und da zwischen dem Weideland. Einige Meilen weiter floss breit und kurvenreich die Themse, was man von hier oben nicht vermutet hätte. Heute wurde das Hochplateau zum ersten Mal in diesem Jahr gemäht. Ein Esel in drolligen Gummiüberschuhen, zur Schonung des Rasens, zog den ratternden Mäher, der hinten von einem der Männer gelenkt wurde. Er lüpfte die Mütze, als sie näher kamen. Eigentlich war es nicht üblich, am Wochenende den Rasen zu mähen, doch Dudley hatte es angeordnet, zweifellos um seine Gäste zu ärgern. George und Madeleine gingen am hinteren Rand der Fläche spazieren, dem Rasenmäher aus dem Weg; die Köpfe gesenkt, in ein Gespräch vertieft, amüsierten sie sich vielleicht auf ihre Art.
Im Zickzack liefen die Kinder auf ihren Onkel und ihre Tante zu – und schienen unsicher, was an ihrer Freude echt war, was nur gute Manieren; Corinna hatte mittlerweile Spaß an gutem Benehmen um seiner selbst willen. George, in dunklem Anzug und großen braunen Schuhen, wich nicht von der Stelle, ging zögerlich, unsicher gackernd in die Hocke, um ihnen für einen Moment auf Augenhöhe zu begegnen. Madeleine, in einen langen Regenmantel gehüllt, hielt sich zurück, im Gesicht ein dünnes, wie gefrorenes Lächeln, hinter dem sich, fest verschlossen, mancherlei Zweifel und Fragen verbargen.
»Tante Madeleine, ich habe für dich ein neues Stück gelernt«, platzte Corinna heraus.
»Oh«, sagte Madeleine. »Was denn für eins?«
»Es heißt ›Das kleine Känguru‹.«
»Na dann, meine Liebe«, sagte Madeleine, als witterte sie etwas leicht Kompromittierendes, »wollen wir mal sehen, wann es sich ergibt.«
»Sie hat extra geübt, nicht, Corinna?«, sagte Daphne und sah Corinnas Blick zu Wilfrid.
»Und Wilfrid führt seinen Tanz auf«, sagte Corinna.
»Das ist ja famos«, versuchte George die fehlende Begeisterung seiner Frau wettzumachen. »Wann ist es so weit? Ich will es nicht verpassen.«
»Nach dem Kindertee«, sagte Daphne. »Dann dürfen die beiden nach unten kommen.« George in Begleitung von Made leine machte einem George gleich sympathischer; er stand auf, Bruder und Schwester küssten sich geräuschvoll und ent schlossen, was sie beide belustigte. »Was macht Birmingham?«, sagte Daphne.
»Ach, Brum geht es gut«, sagte George.
»Es macht eine Menge Arbeit«, sagte Madeleine. »Ich fürchte, wir sind nicht gerade in Höchstform.«
»Darf ich euch Revel Ralph vorstellen? Madeleine – Revel, mein Bruder George Sawle.«
George sah Revel durchdringend an, als er ihm die Hand gab. »Madeleine und ich haben viele Kritiken über Ihre Ausstellung gelesen. Meinen Glückwunsch! Ihre Entwürfe sind herrlich.«
»Oh, ja«, sagte Madeleine unsicher.
»Ich hoffe sehr, dass wir es noch schaffen«, sagte George, jetzt sorgenvoll lächelnd. »Ich würde sie mir gerne ansehen.«
»Sie brauchen mir nur Bescheid zu sagen«, bot Revel ihm an.
»Aber du warst doch gewiss schon da, Daph, oder?«, sagte George.
»Ich müsste dazu irgendwo
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