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Fremden Kind

Fremden Kind

Titel: Fremden Kind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A Hollinghurst
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Moment erschien Eva Riley auf der Bildfläche, übertrieben modisch gekleidet, bis zur Lächerlichkeit, die langen Beine in weißen, glänzenden Strümpfen, einen perlmuttfarbenen Topfhut über den Bubikopf gezogen. »Brauchen Sie mich wirklich?«, jammerte sie, doch Jerry Goldblatt rief zurück, aber ja, auf jeden Fall.
    Revel und Daphne ließen sich zusammen am Fischteich fotografieren. Dazu stellten sie sich links und rechts eines Rosenspaliers auf, erhoben einen Arm, wie Tänzer, und wiesen auf die Aussicht hinter den Spalieren. Daphne lachte, um zu demonstrieren, dass sie keine Schauspielerin war, schon gar keine Tänzerin, und sah Revel an, der ein ernsteres Gesicht machte. Ihr Lachen hatte eine gewisse panische Note. Beklommen sah sie vor ihrem inneren Auge die nächste Ausgabe des Sketch auf dem Tisch im Frühstückszimmer liegen und ihre albernen Gesichter um Aufmerksamkeit mit den Mätzchen von Bonzo, dem Hund, ringen.

5
    N ach dem Lunch schlich sich George aus dem Speisezimmer und begab sich zu einer Toilette in einem entlegenen Teil des Hauses, freute sich auf die Aussicht, mal vier oder fünf Minuten allein zu sein. Er spürte bereits, wie er sich beim Thema Cecil innerlich verkrampfte und auch beim Gedanken daran, dass die nächsten vierundzwanzig Stunden seinem Scharfsinn, seiner Tapferkeit und seinem Charme gewidmet sein sollten. Was sie nun wieder alle von sich geben würden! Solch strikten Vorgaben folgten Tischgespräche sonst vermutlich nur in Klöstern oder Mädchenpensionaten. Der General bestimmte das Thema, die anderen spielten sich behutsam die Bälle zu, und Sebastian Stokes gab den Schiedsrichter; selbst Dudleys Spötteleien würden entschärft werden. George kannte Stokes bereits aus Cambridge, von einem Ausflug in einem Stechkahn, als Cecil mit seiner gebieterischen Art, die Stake zu schwingen und zu stoßen, und zwischendurch dem Vortrag diverser Sonette beeindruckt hatte. Stokes hatte offenbar vergessen, dass George seinerzeit mit von der Partie gewesen war, und George hatte ihn auch nicht daran erinnert, als sich das Gespräch um ihre gemeinsame Cambridge-Zeit drehte. Ihm war ausgesprochen unbehaglich zumute, er hatte mehrere Gläser Champagner getrunken, weil er hoffte, das würde ihn entspannen, doch war ihm davon nur heiß und schwindlig geworden, während ihm gleichzeitig das Speisezimmer mit seiner protzigen Ausstattung, den Spiegeln und dem Talmi scheußlicher als je zuvor er schien, wie ein trister Rummelplatz. Gewiss, man übte Nachsicht mit Toten, ließ nichts auf sie kommen, um jemanden trauern hieß, ihm zu verzeihen; und kein Zweifel, Cecil war überaus klug und furchtlos gewesen und hatte in seinem kurzen Leben viele Herzen gebrochen. Aber außer Louisa dräng te es wohl niemanden, ihm ein neues Denkmal zu setzen, zehn Jahre nach seinem Ableben. Trotzdem hatten sich alle hier versammelt und klammerten sich devot an ihre Beiträge. Ein faules Odeur aus falsch verstandener Pietät und pflicht bewusster Suppression schien vom Tisch aufzusteigen und wie Kohlgeruch unter der Kassettendecke zu hängen.
    Als er die Halle durchquerte, öffnete sich die Tür unter der Treppe, und Wilkes trat hervor, mit dem überraschten Blick eines Menschen, der in seinem Privatleben aufgestöbert wurde.
    »Ah, Sir …!«, sagte er, wandte sich um, die Tür festzuhalten, damit sie nicht ins Schloss fiel; unwillkürlich wieder die uralte Güte im Gesicht, wie ein schwaches Erröten.
    »Herzlichen Dank, Wilkes«, sagte George, und da er schon mal vor ihm stand: »Ich hoffe, es geht Ihnen gut.«
    »Ja, Sir, vielen Dank, sehr gut sogar«, sagte er, als ginge er aus Georges Fürsorglichkeit noch gestärkter hervor.
    »Das freut mich.«
    »Ich hoffe, es geht Ihnen auch gut, Sir, und Mrs Sawle …«
    »Oh, ja, wir haben schrecklich viel Arbeit, bis über beide Ohren, aber sonst geht es uns ganz gut, danke.«
    Sie hielten nun beide die Tür, während Wilkes ihn mit seinem wie üblich wohltuenden Mangel an Ungeduld anschaute, ohne irgendein Anzeichen, dass er eben noch hatte woandershin eilen wollen. »Es ist schön, Sie wieder mal auf Corley zu sehen, Sir.« George fiel auf, dass sich in der geschmeidigen Phrase auch Wilkes’ meisterhafte Beherrschung des indirekten moralischen Kommentierens vermittelte.
    Er legte die Stirn in Falten und sagte: »Ja, wir kommen nicht so oft hierher, wie wir gerne möchten.«
    »Es ist wohl nicht sehr bequem zu erreichen für Sie«, räumte Wilkes ein und ließ die Hand

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