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Fremden Kind

Fremden Kind

Titel: Fremden Kind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A Hollinghurst
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Die Umstehenden wichen zurück, deckten ihre Gläser ab, manche schrien kurz auf vor Schreck, gutmütig, freundlich, andere mit dem deutlichen Ausdruck, dass so etwas eigentlich nicht hinnehmbar war. Stinker redete weiter laut mit seinem Gesprächspartner, als hätte er nichts bemerkt – »Und dann sagte er noch etwas wahnsinnig Witziges …«, doch Dudley hatte sein Glas abgestellt und stapfte jetzt durch den Raum, das Gesicht unbeweglich, der Blick flackernd vor ungezügelter Emotion. Er baute sich neben dem Klavier auf und wirkte auf einmal ganz ruhig: »Ich sagte, nicht heute Abend.«
    »Aber du hast doch gesagt, heute Abend, Daddy«, entgegnete Corinna vorlaut und spielte weiter.
    »Und heute Abend sage ich Nein! Befehlsänderung!« Er lachte bellend Richtung Colonel, als wollte er ihm bedeuten, er habe alles bestens unter Kontrolle. Jetzt schritt Daphne ein; sie wusste, was man über Corley so redete, dass es sich unter Dudleys Regiment sehr verändert habe: die wirre Mischung aus Sonderlingen, Malern und Schriftstellern, ein Irrenhaus. Sie fühlte sich herausgefordert, als müsste sie sich rechtfertigen. Wilfrid hatte aufgehört zu springen, sein Vertrauen in den Plan seiner Schwester war dahin, doch Corinna spielte weiter.
    »Jetzt lieber nicht, mein Schatz«, sagte Freda und schob eine Hand aus der Spitzenmanschette hervor, um sie ihrer Enkelin auf die Schulter zu legen, just in dem Moment, als Dudley, seine furchterregende Fratze plötzlich der Brennpunkt der Krise, sich über sie beide beugte und mit den Fäusten auf die Tasten am oberen, schrillen Ende der Klaviatur eindrosch, wie aufgeputscht vom schrillen Klang Corinna vom Stuhl drängte und dann wiederholt auf die nachhallenden, dumpf wütenden Oktaven am anderen Ende einhämmerte. Dann schlug er den Deckel zu.
    »Kommt, Kinder«, sagte Daphne leise und führte Corinna und Wilfrid, die die Hand ihrer Mutter fest umklammert hielten, aus dem Zimmer. Das Kindermädchen war wie im mer, wenn man sie brauchte, nirgendwo zu sehen. Dann merkte Daphne, dass auch Freda ihr folgte, was sie eigentlich begrüßte, nur lud es die Atmosphäre mit ungeheurer Spannung auf, dem stummen Mitleid und Vorwurf, dass sie mit Dudley Valance, einem gewalttätigen Irren, verheiratet war. Corinnas Lippen bebten, Wilfrid schluchzte bereits hem mungslos, als sie hinausmarschierten.
    Als Daphne nach drei Minuten in den Salon zurückkehrte, hatte man sich nach Kräften bemüht, den Schaden zu beheben. Sie murmelte, den Kindern gehe es gut, und sie fühlte sich getragen von einer Welle der Unterstützung, die lediglich von einer Art furchtsamer Zurückhaltung, sich offen gegen Dudley zu stellen, ausgebremst wurde. »Kleine Teufel, was?«, sagte der Colonel und tätschelte ihren Arm. Mark, Flo und auch die S-Ps kannten derartige Szenen im Haus Valance bereits und führten eine angemessen uninspirierte Konversation über die Jagd, die sich bestens eignete, um zu demonstrieren, dass alles wieder im Lot war. Dudley selbst, in der labilen Leutseligkeit dessen, der niemals im Unrecht ist, unterhielt sich mit Sebby Stokes, der sich dank seiner natürlichen Diplomatie notdürftig behauptete. Dass ein Valance sich niemals für irgendetwas entschuldigte, verstand sich von selbst. Louisa blieb stumm, allerdings konnte Daphne wie üblich ihre Gedanken lesen, und wenig später hörte sie ihre Schwiegermutter mit der nötigen Lautstärke zum Colonel sagen: »Wissen Sie, wir haben unsere Jungs nach sechs Uhr nicht mehr gesehen.« Daphne wusste, dass die Person, die sich am meisten über den Vorfall aufregte, ihre Mutter war und auch vor dem Essen nicht mehr herunterkommen würde. Das Beste wäre jetzt ein starker Drink. Und nach nicht mal einer Minute konnte sie beobachten, dass eine behutsam beschwingte Stimmung der Genesung die ganze Gesellschaft erfasst hatte.
    Als es Zeit für das Dinner wurde, schlug Daphnes unsinnige Heiterkeit um in atemlose Furcht, sie könnte den Überblick verlieren. Sie hielt es für besser, Colonel Fountain lieber gleich die Bühne zu überlassen, bevor die aufgedrehte Atmosphäre des Abends auf alle überschlug. Nachdem der Fisch aufgetragen war, fragte sie den Colonel in aller Deutlichkeit nach Cecil und hörte ihre Worte in eine plötzliche allgemeine Stille hineingaloppieren – beinahe hätte sie ihre eigene Stimme nicht wiedererkannt. Der Colonel saß in der Mitte des Tisches, zu Louisas Rechter, und blickte sich beim Reden aufmerksam, beinahe herausfordernd um,

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