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Fremden Kind

Fremden Kind

Titel: Fremden Kind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A Hollinghurst
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Konzentration eines Betrunkenen eine Rolle ein, lachte sich ins Fäustchen vor lauter Vorfreude auf den Spaß, den er seinen Gästen bereiten würde, lachte gar die Maschine an, vor der er eine kindische Ehrfurcht hatte. Dann ließ er sich nieder, warf den Kopf zurück, fing an, die Pedale zu bearbeiten – und heraus kam der Foxtrott, den sie schon hundertmal gehört hatten, ein Ohrwurm. Die von Geisterhand bewegten Tasten hatten beinahe etwas Bedrohliches.
    Mark, mindestens so besoffen wie Dudley, schnappte sich Daphne, und die beiden schoben gefährlich schwankend durch die Halle. Daphne spürte Marks warmes, aber eher allgemeines Interesse an ihr als Angehöriger des anderen Geschlechts, und beide waren atemlos vor Lachen, bis Mark hart gegen den Tisch stieß und beinahe hingefallen wäre, wenn er sich nicht an seiner Partnerin festgehalten hätte. Sie befreite sich von ihm und sah sich nach den anderen um. Madeleine versteckte sich praktisch hinter dem Pianola, als suchte sie dort nach etwas, was hinuntergefallen war, und George tat mit einem angespannt scherzhaften Grinsen so, als würde er Dudleys Spiel bewundern, was dieser vollkommen ignorierte. Am liebsten hätte Daphne mit Revel getanzt, doch der hatte vernünftigerweise, wie sie dachte, Flo aufgefordert und segelte sehr selbstsicher mit ihr davon, umschiffte wie durch Zauberei die vielen Klippen in der Halle, Lehnstühle, Pflanzenständer und die große Standuhr. Daphne verfolgte sie mit einem Auge, sah dann, wie Revel ihr über Flos Schul ter hinweg ganz offenherzig zulachte, und erlaubte sich, daraus eine gewisse Intimität abzuleiten. Die Rolle war zu Ende, und Dudley sprang auf, um sie auszutauschen, wie sich herausstellte, gegen den anderen Foxtrott, den er immer spielte. Er hatte kein Ohr für Musik, schwärmte jedoch für diese beiden Stücke geradezu obsessiv, gab sie jedenfalls leidenschaftlich gern zum Besten und suggerierte mit stierem Blick, dass jeder, der wirklich etwas von Musik verstehe, sie auch lieben müsse. Mit boshafter Zielstrebigkeit griff sich Daphne Stinker als neuen Partner, und er holperte neben ihr her, trat ihr auf die Füße und japste: »Oh, mein liebes Mädchen, Sie sind viel zu schnell für mich …« Dudley drückte die Pedale und fing mit rauer Stimme an zu singen: »Die Lichter von daheim! … daheim! … Und alles das ist mein! … ist mein!«
    »Was ist das denn?«, rief Stinker ihm über die Schulter zu und versuchte mutig, sich aus dem Tanz herauszulavieren.
    »Was das ist? Sei kein Banause. Das ist ein wunderbares Lied von meinem Bruder Cecil.« Er hämmerte weiter, quetschte die Worte unsinnig in den Rhythmus, bis ihm vor Lachen Tränen die Wangen hinunterkullerten. Die stoischen Kühe auf »Loch Galber« über ihm blickten stumm. Die Rolle war zu Ende.
    »Meine Güte, ist mir heiß«, sagte Stinker übertrieben, brummte, was für ein toller Spaß das alles sei, und lenkte seine Schritte zurück in den Salon. Leises Klirren und Klappern, das heisere Keuchen der Siphonflasche, dann ging das Pianola wieder los. »Na komm, Stinker!«, rief Dudley. »Der Hickory-Dickory-Rag, dein Lieblingsstück!«
    »Komm schon, Stinker!«, rief Tilda ungewöhnlich schrill, dass man bereits über sie lachte, aber dann doch gleich in ihren Ruf einstimmte: »Ja, jetzt komm endlich, wir wollen anfangen!« Flo stürzte auf die Fläche, und Eva, die den männlichen Part übernahm, packte sie an den Schultern, stakste mit ihr durch den Raum und schwenkte dabei den Kopf auf und nieder wie ein Huhn, anscheinend ein neuer Tanzschritt, den sie gerade kreiert hatte. Klimpernd schlugen die Perlenketten der Frauen aneinander. »Oh!«, sagte Tilda, »oh, du liebe Güte!« Sie folgte den beiden Tänzerinnen mit großen Augen und naivem Lachen, eine Miene, die Daphne noch nie an ihr gesehen hatte. Tildas Freude hatte etwas Rührendes und Komisches, und jetzt schielte sie beinahe durchtrieben nach George, der ebenfalls breit lachte, leicht verkrampft, und urplötzlich hatte sie seinen Arm um sich gelegt, und zusammen schoben sie los, wobei Tilda ein paarmal gezielte kleine Tritte nach hinten austeilte und George unter »Hoppla!«-Rufen oder »Du lieber Gott!« wahllos etwas Ähnliches probierte. »Jetzt komm endlich, Stinker!«, rief Dudley erneut, schaukelte von links nach rechts, während er die Fußhebel betätigte, wie ein Radfahrer, der an einem steilen Hang in die Pedale trat, und dabei unaufhörlich wie ein Irrer grinste. »Stinker!«, rief

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