Fremden Kind
keine Einwände zu haben. Louisa, die gern Nägel mit Köpfen machte und gerade ein Taschentuch für die British Legion umsäumte, machte den Vorschlag: »Wie wäre es mit einem Wortpuzzle?«, schielte entlang ihrer Nase abwärts und verknotete den Faden.
»Na, ich weiß ja nicht«, sagte George mit einer Miene, die Daphne seit ihrer Kindheit vertraut war, verborgene Erwartung und ein kühles Lächeln, das die anderen davor warnte, dass er auf jeden Fall gewinnen würde, wenn er sich dazu herablassen sollte mitzuspielen.
»Vor dem Krieg«, erklärte Louisa dem unwissenden Sebby Stokes, »haben wir oft stundenlang Wortpuzzle gespielt. Dudley und Cecil waren ganz verrückt danach. Cecil wusste natürlich viel mehr.«
»Natürlich, Mama. Cecil war ja auch eine Intelligenzbestie«, sagte Dudley. »Dass Verrückte ein ausgeprägtes Allgemeinwissen hätten, wäre mir allerdings neu.«
»Wie wäre es mit Adverbienraten?«, sagte Eva. »Das ist immer zum Schreien.«
»Ach ja, Adverbien«, sagte Louisa, als fiele ihr gerade eine unangenehme Begegnung ein, die sie einmal mit ihnen gehabt hatte.
»Was sind das noch mal für Wörter?«, wollte Tilda wissen.
»Na, zum Beispiel eilends … oder schön, Sie wissen schon, meine Liebe«, sagte Eva.
»Man muss darstellen, was das Wort besagt«, führte Made leine wenig begeistert aus.
»Das kann sehr lustig sein«, sagte Revel und lächelte Daphne liebenswürdig, aber unsicher zu, »es geht darum, wie man etwas macht.«
»Oh, jetzt verstehe ich …«, sagte Tilda.
Daphne hätte nichts gegen das Spiel einzuwenden gehabt, aber sie wusste, dass Louisa eine Abneigung gegen alles Ungestüme hatte, genauso wie gegen Spiele, bei denen man seinen Sinn für Humor beweisen musste. Das Adverbienspiel hatten sie früher einmal mit den Kindern gespielt, wobei Lou isa sie alle mit ihrer Wahl für das Wort selten überrascht hatte. »Ich will kein Spielverderber sein«, sagte sie daher jetzt, »aber ihr werdet mir hoffentlich verzeihen, wenn ich euch eine gute Nacht wünsche.« Die Männer sprangen auf, ein vielstimmi ger, warmherziger, sich überschneidender Gutenachtchor setzte ein, ebenso halbherzige Einwände, zwischen denen Sebby leise sagte, er habe noch einige Lektüre vor sich, und auch Freda mit einem äußerst unterwürfigen Lächeln in Richtung Dudley verkündete, es sei ein ganz wunderbarer Tag gewesen. Daphne ging zusammen mit ihnen hinaus und begleitete sie bis zum Fuß der Treppe mit einem gewissen Bedauern im Gesicht, obwohl sie natürlich dankbar war, dass sie sich jetzt schon auf ihre Zimmer verzogen.
Alle genehmigten sich ein weiteres Glas, die Idee mit dem Spiel war noch nicht vom Tisch. Madeleine startete einen jämmerlichen Versuch, das Unheil abzuwenden, indem sie ununterbrochen quasselte, und Tilda erkundigte sich, ob jemand die Regeln für Strippoker kenne. Dann läutete Dudley nach Wilkes und sagte, er solle das Pianola aufbauen, man wolle ein bisschen tanzen. »Oh, wie schön«, rief Eva mit einem angestrengten Lächeln hinter ihrem Zigarettenqualm.
»Ich werde für meine Gäste aufspielen«, sagte Dudley. »Das ist nur recht und billig.«
»Und der Teppich?«, murmelte Daphne achselzuckend, als wäre es ihr egal, ob man sich darum kümmerte, was die einzige Möglichkeit war, Dudley dazu zu bringen.
»Ja, genau, verschonen Sie meinen Teppich!«, sagte Eva.
»Also, ab in die Halle, Wilkes«, sagte Dudley.
»Wie Sie wünschen, Sir Dudley«, sagte Wilkes, der unter seiner rotwangigen Freude darüber, dass die Gäste sich amüsieren wollten, eine aufkeimende Besorgnis nicht verhehlen konnte.
Das Pianola wurde im Kuhkorridor aufbewahrt. Dudley eilte in die Halle, um Robbie und einen der Männer, die es laut dröhnend über die Eichendielen schoben, zu beaufsichtigen. Dann ging er selbst in den Korridor und kam mit einem Arm voller Notenrollen wieder; er hatte einen irren Blick, Hohn vermischt mit echter Aufregung. In dem Moment wusste Daphne, dass sie jede noch so fragile Kontrolle über den Abend verloren hatte, und mit einer ihr vertrauten Gefühlsmischung aus Trübsal und Erleichterung gab sie auf.
Auf einigen Rollen waren allgemein bekannte Nummern, Foxtrotts und Ähnliches, aber es gab auch ein paar speziellere, von Paderewski eingespielte kurze Chopin-Stücke, die angeblich so klingen sollten, als säße er selbst am Klavier. Dud ley spielte Letztere eigentlich nur, um den Tastenvirtuosen mit wehender Mähne zu geben. Jetzt legte er mit der
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