Fremder in einer fremden Welt
Nachdem Jubal etwa einen Scheffel durchgesehen hatte, teilte er sie in Kategorien ein:
Bettelbriefe - zum Auffüllen von Auswaschungen.
Drohbriefe - ablegen unter >nicht beantwortet. Weitere Briefe von derselben Quelle weiterleiten an S.S.
Geschäftliche >Gelegenheiten< - an Douglas weiterleiten.
Spinnereien - sofern lustig, herumreichen, Rest in den Gully.
Freundliche Briefe - mit von Jill unterschriebenem, vorgedrucktem Formular beantworten, falls freigemachter Rückumschlag beilag. (Jubal wies darauf hin, daß Briefe mit der Unterschrift des Mannes vom Mars wertvoll seien und somit eine Einladung darstellten, weitere sinnlose Briefe zu schicken.)
Obszöne Briefe - Jubal geben (der mit sich selbst gewettet hatte, keiner davon werde die leiseste literarische Neuheit enthalten) und Erledigung durch Gully.
Heiratsund weniger förmliche Anträge - ignorieren und ablegen. Bei dreimaliger Wiederholung dieselbe Prozedur wie unter >B<.
Briefe von wissenschaftlichen und pädagogischen Institutionen - wie unter >E< behandeln. Beantworten nur mit Schemabrief, in dem erklärt wird, der Mann vom Mars stehe für gar nichts zur Verfügung. Falls Jill das Gefühl habe, eine strikte Weigerung sei nicht am Platze, an Jubal weitergeben.
Briefe von Personen, die Mike kannten, zum Beispiel von der Crew der Champion, dem Präsidenten der Vereinigten Staaten und andere - Mike könne sie beantworten, wie es ihm beliebe. Übungen in der Korrespondez täten ihm gut und solche in Human relations erst recht (wenn er Rat wünschte, sollte er darum bitten).
Das reduzierte die Briefe, die Jill beantworten mußte, auf einige wenige, und nur selten war einer für Mike dabei. Jill stellte fest, daß sie imstande war, die Post in einer Stunde pro Tag durchzusehen und zu klassifizieren. Die ersten vier Kategorien blieben umfangreich. Von Kategorie >G< kam gleich nach der Stereosendung aus dem Palast sehr viel, dann versiegte der Strom.
Jubal machte Jill darauf aufmerksam, daß Mike zwar nur Briefe von Bekannten beantworten solle, daß jedoch an ihn adressierte Post ihm gehöre.
Am dritten Morgen, nachdem das System eingeführt worden war, brachte Jill einen Brief aus der Kategorie >G< zu Jubal. Die Damen und anderen weiblichen Wesen (plus mißgeleiteter männlicher), die zu dieser Kategorie beitrugen, legten für gewöhnlich Bilder bei, die angeblich sie selbst zeigten. Einige ließen der Phantasie nur wenig Spielraum übrig.
Dieser Brief enthielt ein Bild, das der Phantasie überhaupt keinen Spielraum mehr ließ und dann neue Vorstellungen simulierte.
»Sieh dir das an, Boß!« sagte Jill. »Ich bitte dich.«
Jubal las den Brief. »Die weiß, was sie will. Was hält Mike davon?«
»Er hat es noch nicht gesehen. Ich wollte es dir zuerst zeigen.«
Jubal betrachtete das Bild. »Ein Typ, den wir in meiner Jugend >gut entwickelt genannt haben. Nun, ihr Geschlecht wird nicht bezweifelt, auch nicht ihre Beweglichkeit. Warum zeigst du es mir? Ich habe schon bessere Fotos gesehen.«
»Was soll ich denn tun? Der Brief ist schlimm genug, aber dieses widerwärtige Bild! Soll ich es zerreißen, bevor Mike es sieht?«
»Oh, beruhigen Sie sich, Schwester. Was steht auf dem Umschlag?«
»Nur die Adresse und der Absender.«
»Wie lautet die Adresse?«
»Wie? >An Mr. Valentin Michael Smith, den Mann vom.. .<«
»Oh! Dann ist der Brief nicht an dich adressiert.«
»Natürlich nicht.«
»Das ist alles, was ich wissen wollte. Wir sollten eins klarstellen. Ich bin nicht Mikes Beschützer, und du bist weder seine Mutter, noch seine Anstandsdame. Wenn Mike alles lesen will, was an ihn adressiert ist, jeden Mist eingeschlossen, steht ihm das frei.«
»Er liest das meiste von diesen Angeboten. Aber du willst doch nicht,
daß er Schmutz sieht. Er weiß nicht, was in der Welt vor sich geht. Er ist unschuldig!«
»So? Wie viele Menschen hat er getötet?«
Jill blickte unglücklich drein.
Jubal fuhr fort: »Wenn du ihm helfen willst, konzentriere dich darauf, ihm beizubringen, daß man in dieser Gesellschaft das Töten mit Stirnrunzeln betrachtet. Andernfalls wird er unangenehm auffallen, wenn er in die Welt hinausgeht.«
»Hm, ich glaube nicht, daß er >in die Welt hinausgehen< will.«
»Ich werde ihn aus dem Nest werfen, sobald er fliegen kann. Ich werde ihm gar nicht erst die Möglichkeit dazu geben, den Rest seines Lebens als eingesperrtes Kind zu verbringen. Zunächst einmal kann ich das nicht. Mike wird mich um viele Jahre überleben. Aber
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