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Fremder in einer fremden Welt

Fremder in einer fremden Welt

Titel: Fremder in einer fremden Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Heinlein
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der in Krankenhäusern nicht zulässig ist, hielt sogar Personen mit Hauptschlüsseln draußen.
    Jill schob den Riegel zurück. »Du wartest. Ich komme wieder.«
    »Ich warte.«
    Als sie in den Beobachtungsraum zurückkehrte, hörte sie Tock! Tock! Ti-tock, tock! Tock, tock! Das war das Signal, das Brush ihr hatte geben wollen. Sie beeilte sich, ihn einzulassen.
    Er platzte ins Zimmer und fragte heftig: »Wo sind Sie gewesen, Schwester? Ich habe dreimal geklopft.« Er warf einen mißtrauischen Blick auf die Innentür.
    »Ich sah, daß Ihre Patientin sich umdrehte«, log Jill schnell. »Ich habe ihr das Nackenkissen zurechtgelegt.«
    »Verdammt, ich habe Ihnen gesagt, Sie sollten an meinem Schreibtisch sitzenbleiben!«
    Jill erkannte plötzlich, daß der Mann Angst hatte. Sie ging zum Gegenangriff über. »Doktor«, erklärte sie kalt »Ihre Patientin fällt nicht unter meine Verantwortung. Aber da Sie sie mir anvertraut hatten, habe ich getan, was ich für notwendig hielt. Sie sind nicht damit einverstanden? Dann lassen Sie uns die Aufsicht für diesen Flügel holen.«
    »Wie bitte? Nein, nein - vergessen Sie es!«
    »Nein, Sir. Eine so alte Patientin kann in einem Wasserbett ersticken. Es gibt Krankenschwestern, die von einem Arzt jeden Tadel hinnehmen ich tue es nicht. Lassen Sie uns die Aufsicht rufen.«
    »Nun hören Sie, Miss Boardman, ich bin explodiert, ohne nachzudenken. Ich entschuldige mich.«
    »Gut, Doktor«, antwortete Jill steif. »Ist sonst noch etwas?«
    »Wie? Nein, ich danke Ihnen. Danke, daß Sie mich vertreten haben. Nur erwähnen Sie es nirgends, bitte!«
    »Ich werde es nicht erwähnen.« Darauf können Sie ihr liebes Leben wetten! Aber was mache ich jetzt? Oh, ich wünschte, Ben wäre in der Stadt! Jill ging an ihren Schreibtisch und tat, als sehe sie Papiere durch. Schließlich fiel ihr das elektrische Bett wieder ein, hinter dem sie hergewesen war, und sie bestellte eins telefonisch. Dann schickte sie ihre Assistentin auf einen Botengang und versuchte nachzudenken.
    Wo steckte Ben? Wenn sie es wußte, würde sie sich für zehn Minuten entschuldigen, ihn anrufen und die Bürde auf seine Schultern abladen. Aber Ben - zum Teufel mit ihm! - trieb sich herum und überließ es ihr, den Ball zu tragen.
    War das wirklich so? Eine Sorge, die sich in ihrem Unterbewußtsein eingegraben hatte, kam endlich an die Oberfläche. Ben hätte die Stadt nicht verlassen, ohne ihr Bescheid zu geben, wie sein Versuch, zu dem Mann vom Mars vorzudringen, ausgegangen war. Darauf hatte sie als Mitverschwörerin ein Recht - und Ben spielte immer fair.
    Im Geist hörte sie seine Worte »wenn etwas schiefgeht, bist du mein As im Ärmel. Schatz, wenn du nichts von mir hörst, mußt du nach eigenem Ermessen vorgehen.«
    Damals hatte sie nicht weiter darüber nachgedacht, weil sie nicht geglaubt hatte, Ben könne irgend etwas zustoßen. Jetzt mußte sie darüber nachdenken. Im Leben jedes Menschen kommt ein Augenblick, in dem er oder sie sich entscheiden muß, >sein Leben, seinen Besitz und seine heilige Ehre< für ein Unternehmen mit zweifelhaftem Ausgang zu riskieren. Die, die sich verweigern, sind nichts als übergroße Kinder und werden nie etwas anderes sein. Jill Boardman begegnete der Herausforderung und nahm sie an diesem Tag um 15:47 Uhr an, während sie einem Besucher erklärte, daß Hunde nichts auf Krankenstationen zu suchen hatten. Irgendwie war es ihm gelungen, sein Tier an der Rezeption vorbeizuschmuggeln. Auch das Argument, daß der Hund genau das richtige Medikament für den Patienten sei, konnte Jill nicht erweichen.
    *
    Der Mann vom Mars setzte sich, nachdem Jill gegangen war. Er griff nicht wieder nach dem Bilderbuch, er wartete einfach auf eine Art, die man als >geduldig< beschreiben muß, weil die menschliche Sprache keine Begriffe für marsianische Haltungen hat. Er war von stillem Glück erfüllt, weil sein Bruder gesagt hatte, er werde wiederkommen. So hatte er, ohne sich zu bewegen, ohne irgend etwas zu tun, mehrere Jahre warten können.
    Er hatte keine deutliche Vorstellung, wie lange es her war daß er Wasser mit diesem Bruder geteilt hatte. Nicht nur, daß dieser Ort in Zeit und Form seltsam verzerrt war und Folgen von Anblicken und Geräuschen bot, die er noch nicht gegrokt hatte, auch die Kultur seines Nests hatte eine andere Auffassung von der Zeit, als es die menschliche ist. Der Unterschied lag nicht in einer längeren Lebensdauer, in Erdenjahren gezählt, sondern in der Grundeinstellung.

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