Fremder in einer fremden Welt
Blindlings stolperte er dahin, Augen und Sinne beinahe abgeschaltet, um sich vor dem Chaos zu schützen.
Jill führte ihn ans Ende des Korridors und trat sofort auf ein im rechten Winkel wegführendes Gleitband. Smith stolperte und wäre gefallen, wenn sie ihn nicht festgehalten hätte. Eine Stationshilfe sah ihnen nach, und Jill fluchte halblaut. Dann half sie ihm sehr sorgsam von dem Band herunter. Sie nahmen einen Aufzug zum Dach, denn Jill war überzeugt, einen Sprungschacht würde sie ihn nie hinaufmanövrieren können.
Oben gerieten sie in eine kritische Situation. Smith merkte allerdings nichts davon. Der Anblick des Himmels erfüllte ihn mit Entzücken; seit dem Mars hatte er keinen Himmel mehr gesehen. Dieser Himmel war hell und farbig und freudig - ein für Washington typischer bedeckter Tag. Jill hielt nach einem Taxi Ausschau. Das Dach lag verlassen da, wie sie es gehofft hatte, denn die Krankenschwestern, die gleichzeitig mit ihr Feierabend hatten, waren bereits nach Hause unterwegs, und die nachmittäglichen Besucher waren fort. Aber die Taxis waren auch fort. Einen Airbus zu benutzen, wagte sie nicht.
Gerade wollte sie telefonisch ein Taxi bestellen, als eines zur Landung ansetzte. Sie rief dem Dachwächter zu: »Jack! Ist der Wagen bestellt?«
»Es ist der, den ich für Dr. Phipps gerufen habe.«
»Ach du meine Güte! Jack, wollen Sie mir ganz schnell auch einen besorgen? Das hier ist meine Cousine Madge - sie arbeitet drüben im Südflügel -, und sie hat Laryngitis und muß aus diesem Wind heraus.«
Der Wärter kratzte sich den Kopf. »Nun. da Sie es sind, Miss Boardman, nehmen Sie dieses Taxi, und ich werde für Dr. Phipps ein neues rufen.«
»O Jack, Sie sind ein Lamm! Madge, sprich nicht; ich werde ihm danken. Ihre Stimme ist weg, ich werde sie mit heißem Rum kurieren.«
»Das hilft bestimmt. Die alten Hausmittel sind die besten, hat meine Mutter immer gesagt.« Er faßte in den Wagen und tippte aus dem Gedächtnis die Kombination für Jills Wohnung ein, dann half er ihnen beim Einsteigen. Jill kam ihm in den Weg und tarnte Smith' Unkenntnis dieses Zeremoniells. »Danke, Jack. Tausend Dank.«
Das Taxi hob ab, und Jill holte tief Atem. »Jetzt kannst du reden.«
»Was soll ich sagen?«
»Wie? - Was du möchtest.«
Smith dachte darüber nach. Die Einladung ging so weit, daß sie eine würdige Antwort erforderte, passend für Brüder. Ihm fielen verschiedene ein, doch er verwarf sie wieder, weil er sie nicht übersetzen konnte. Dann entschloß er sich für eine, die auch in dieser seltsamen, flachen Sprache etwas von dem warmen Zueinanderwachsen übermittelte, dessen sich Brüder erfreuen. »Laß unsere Eier das gleiche Nest teilen.«
»Was hast du gesagt?« fragte Jill verblüfft.
Es erfüllte Smith mit Verzweiflung, daß es ihm nicht gelungen war, angemessen zu antworten, was er für ein Versagen seinerseits hielt. Betrübt hielt er sich vor, daß er diese Wesen jedesmal in Aufregung versetzte, wenn er das Ziel verfolgte, Einssein zu erzeugen. Er versuchte es noch einmal, gruppierte seinen spärlichen Wortschatz neu, um den Gedanken anders einzukleiden. »Mein Nest ist dein, und dein Nest ist mein.«
Diesmal lächelte Jill. »Wie süß! Mein Lieber, ich bin mir nicht sicher, ob ich das richtig verstehe, aber es ist das netteste Angebot, das ich seit langem bekommen habe.« Sie setzte hinzu: »Leider stecken wir im Augenblick bis zu den Ohren in Schwierigkeiten - also warten wir damit, ja?«
Smith verstand Jill auch nicht besser als Jill ihn, doch er begriff, daß sein Wasserbruder erfreut war und daß er warten solle. Das Warten machte ihm keine Mühe. Zufrieden, daß alles zwischen ihm und seinem Bruder gut stand, lehnte er sich zurück und genoß die Aussicht. Es war die erste, die er zu sehen bekam. Auf beiden Seiten bot sich ihm eine Fülle von neuen Dingen, die er zu groken versuchte. Ihm kam der Gedanke, daß die Apportation, die man zu Hause anwandte, dieses köstliche Betrachten dessen, was dazwischen lag, nicht gestattete. Fast hätte ihn das zu einem Vergleich zwischen marsianischen und menschlichen Methoden verführt, der für die Alten ungünstig ausgefallen wäre. Aber sein Geist scheute vor der Häresie zurück.
Jill verhielt sich still und versuchte nachzudenken. Plötzlich merkte sie, daß das Taxi auf dem letzten Stück Weg zu ihrem Apartmenthaus war. Ihre Wohnung durfte sie auf gar keinen Fall aufsuchen, weil man dort zuerst suchen würde, sobald jemand sich
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