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Fremder in einer fremden Welt

Fremder in einer fremden Welt

Titel: Fremder in einer fremden Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Heinlein
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tun?«
    »Nein, nein, setzen Sie sich einfach hin und beobachten Sie den Schirm. Stören Sie sie nicht.«
    »Und wenn irgend etwas passiert, wo werden Sie sein? Im Ärztezimmer?«
    »Ich gehe auf die Herrentoilette unten am Gang. Jetzt seien Sie bitte still - es ist dringend.«
    Er ging, und Jill verschloß die Tür. Dann sah sie sich die Patientin über den Monitor an und warf einen Blick auf die Anzeigen. Die Frau schlief, und nach den Instrumenten waren Puls und Atmung gleichmäßig und normal. Jill fragte sich, warum eine >Totenwache< notwendig war.
    Dann entschloß sie sich, nachzusehen, ob das Bett in dem anderen Zimmer stand. Das widersprach nicht Dr. Brushs Anweisung, die Patientin nicht zu stören, denn Jill wußte, wie man durch ein Zimmer geht, ohne einen Patienten aufzuwecken. Auch war sie schon vor Jahren zu der Erkenntnis gekommen: »Was ein Arzt nicht weiß, macht ihn nicht heiß.« Leise öffnete sie die Tür und trat ein.
    Ein Blick sagte ihr, daß Mrs. Bankerson in dem typischen Schlaf der Senilen lag. Geräuschlos schlich sich Jill in den Aufenthaltsraum. Er war verschlossen, aber ihr Hauptschlüssel öffnete die Tür.
    Sie sah, daß das Bett dort war. Dann sah sie, daß das Zimmer belegt war. In einem Sessel saß, ein Bilderbuch auf dem Schoß, der Mann vom Mars.
    Smith blickte auf und bedachte sie mit dem strahlenden Lächeln eines entzückten Babys.
    Jill wurde schwindelig. Sie fühlte sich wie im Schlaf. Wirre Gedanken schossen ihr durch den Kopf. Valentin Smith hier? Das konnte nicht sein; er war verlegt worden; das Dienstbuch zeigte es. Aber er war hier.
    Dann marschierte eine Reihe häßlicher Schlußfolgerungen auf. Der falsche >Mann vom Mars< in der Stereo-Sendung. die alte Frau, die bald sterben würde, aber in der Zwischenzeit die Tatsache verbarg, daß sich hier ein zweiter Patient befand. die Tür, die sich von ihrem Schlüssel nicht öffnen ließ - und die alptraumhafte Vorstellung des >Fleischwagens<, der eines Nachts hinausgekarrt wurde, bedeckt mit einem Laken, unter dem nicht eine, sondern zwei Leichen lagen.
    Mit diesem Gedanken kam die Angst, das Bewußtsein der Gefahr, in der sie schwebte, weil sie über dieses Geheimnis gestolpert war.
    Smith stand unbeholfen aus seinem Sessel auf, streckte ihr beide Hände entgegen und sagte: »Wasserbruder!«
    »Hallo. Äh. wie geht es dir?«
    »Mir geht es gut. Ich bin glücklich.« Er setzte etwas in einer seltsamen, erstickten Sprache hinzu, berichtigte sich und erklärte bedachtsam: »Du bist hier, mein Bruder. Du warst fort. Jetzt bist du hier. Ich trinke tief von dir.«
    Jill fühlte sich hilflos zwischen zwei Gefühlen hin- und hergerissen. Ihr Herz schmolz vor Rührung - und die eisige Furcht, erwischt zu werden, hielt sie gepackt. Smith merkte nichts davon. Statt dessen sagte er: »Siehst du? Ich gehe! Ich werde stark.« Er machte ein paar Schritte. Dann blieb er triumphierend, atemlos und lächelnd stehen.
    Jill zwang sich, sein Lächeln zu erwidern. »Wir machen Fortschritte, was? Werde nur weiter stark, das ist der richtige Geist! Aber ich muß gehen. Ich bin nur hereingekommen, um guten Tag zu sagen.«
    Sein Ausdruck wandelte sich zu Verzweiflung. »Geh nicht!«
    »Oh, ich muß!«
    Er sah sehr traurig aus. Dann erklärte er mit tragischer Überzeugung: »Ich habe dich verletzt. Ich wußte es nicht.«
    »Mich verletzt? O nein, durchaus nicht! Aber ich muß gehen - und zwar schnell!«
    Sein Gesicht war leer. Er stellte eher fest, als daß er fragte: »Nimm mich mit dir, mein Bruder.«
    »Was? Oh, das kann ich nicht. Und ich muß gehen, sofort. Paß auf, sag niemandem, daß ich hier war, bitte!«
    »Nicht sagen, daß mein Wasserbruder hier war?«
    »Ja. Sag es niemandem. Äh. ich komme wieder. Sei du ein braver Junge und warte und sag es niemandem!«
    Smith dachte darüber nach und blickte wieder heiter. »Ich werde warten. Ich werde es nicht sagen.« »Gut!« Jill fragte sich, wie sie ihr Versprechen halten sollte. Auf die schwache Blase von Dr. Brush konnte sie sich nicht noch einmal verlassen. Das >kaputte< Schloß war natürlich gar nicht kaputt gewesen. Ihr Blick wanderte zu der Korridortür, und da entdeckte sie, warum sie nicht hatte aufschließen können. Ein Riegel war an die Tür geschraubt worden. Überall sonst ließen sich Badezimmer und andere Türen, die zu verriegeln waren, auch mit einem Hauptschlüssel öffnen, damit Patienten sich nicht einschließen konnten. Hier hielt das Schloß Smith drinnen, und ein Riegel,

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