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Fremder in einer fremden Welt

Fremder in einer fremden Welt

Titel: Fremder in einer fremden Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Heinlein
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solches, sondern hielt es irrtümlich für ein lebendes Bild wie die zu Hause. Seine Suite im Bethesda-Krankenhaus hatte keine Fenster gehabt, da sie meinem neuen Flügel lag. Den Begriff >Fenster< hatte er sich noch nicht angeeignet.
    Anerkennend stellte er fest, daß die Simulierung von Tiefe und Bewegung auf dem >Bild< perfekt war. Ein sehr großer Künstler mußte es geschaffen haben. Bisher hatte er noch nichts gesehen, was ihn auf den Gedanken gebracht hatte, die Leute hier besaßen Kunst. Diese neue Erfahrung ermöglichte es ihm, sie besser zu groken, und machte ihm warm ums Herz.
    Eine Bewegung fing seinen Blick ein. Er drehte sich um und sah, daß sein Bruder falsche Häute und Schuhe von seinen Beinen entfernte.
    Jill seufzte und krümmte ihre Zehen im Gras. »Oh, was tun mir meine Fuße weh!« Sie blickte auf und bemerkte, daß Smith sie mit diesem merkwürdig beunruhigenden, babygesichtigen Starren beobachtete. »Tu das auch! Es wird dir gefallen!«
    Er blinzelte. »Wie soll ich es tun?«
    »Andauernd vergesse ich es. Komm her! Ich helfe dir.« Sie zog ihm die Schuhe aus, löste das Leukoplast von den Strümpfen und streifte sie herunter. »So, ist das nicht ein herrliches Gefühl?«
    Smith krümmte die Zehen im Gras und fragte dann schüchtern: »Aber das lebt?«
    »Sicher lebt es. Das ist richtiges Gras. Ben hat dafür eine Menge Geld angelegt. Die Spezialbefeuchtung allein kostet ja schon mehr, als ich pro Monat verdiene. Nun lauf herum, und gönne deinen Füßen den Genuß.«
    Das meiste davon entging Smith, aber er verstand sehr wohl, daß die Grashalme lebende Wesen waren und er aufgefordert wurde, auf ihnen herumzulaufen. »Über lebende Wesen gehen?« fragte er mit ungläubigem Entsetzen.
    »Wie? Warum nicht? Das tut dem Gras nicht weh, es ist speziell als Heimteppich entwickelt worden.«
    Smith war gezwungen, sich ins Gedächtnis zurückzurufen, daß ein Wasserbruder ihn nicht zu einer schlechten Tat verleiten konnte. Er ließ sich ermutigen, umherzugehen - und stellte fest, daß es ihm tatsächlich Spaß machte und daß die lebenden Kreaturen nicht protestierten. Er stellte seine Empfindsamkeit für sie so hoch ein wie möglich. Ja, sein Bruder hatte recht, das war die ihnen gemäße Existenz - beschritten zu werden. Er entschloß sich, sie zu umfangen und zu preisen, eine Anstrengung, etwa der zu vergleichen, die ein Mensch bei dem Versuch machen würde, die Vorzüge des Kannibalismus zu billigen - eines Brauches, den Smith ganz in Ordnung fand.
    Jill stieß einen Seufzer aus. »Ich muß aufhören zu spielen. Ich weiß nicht, wie lange wir hier sicher sein werden.«
    »Sicher?«
    »Wir können nicht hierbleiben. Vielleicht wird alles überprüft, was das Zentrum verlassen hat.« Nachdenklich runzelte sie die Stirn. Ihre eigene Wohnung war ungeeignet, diese Wohnung war ungeeignet - und Ben hatte vorgehabt, Smith zu Jubal Harshaw zu bringen. Aber sie kannte Harshaw nicht und wußte auch nicht, wo er wohnte - irgendwo in den Poconos, hatte Ben gesagt. Nun, sie würde es herausfinden müssen; es gab keinen anderen Ort, den sie aufsuchen konnte.
    »Warum bist du nicht glücklich, mein Bruder?«
    Das riß Jill aus ihren Gedanken. Sie sah Smith an. Ach, das arme Kind wußte nicht einmal, daß etwas nicht stimmte! Sie versuchte, es von seinem Standpunkt aus zu betrachten. Das gelang ihr nicht, aber sie erfaßte: Er hatte keine Ahnung, daß sie davonliefen. vor was davonliefen? Vor der Polizei? Der Krankenhausverwaltung? Jill war sich nicht sicher, was sie getan, welche Gesetze sie gebrochen hatte, sie wußte nur, sie hatte sich gegen die großen Tiere, gegen die Leute ganz oben gestellt.
    Wie konnte sie dem Mann vom Mars sagen, wer ihre Verfolger waren, wenn sie es selbst nicht wußte? Gab es auf dem Mars Polizisten? Wenn sie mit ihm sprach, war ihr die Hälfte der Zeit zumute, als rufe sie in eine Regentonne hinein.
    Himmel, gab es wenigstens Regentonnen auf dem Mars? Oder Regen?
    »Mach dir darüber keine Gedanken«, sagte sie ernst. »Tu einfach, was ich dir sage!«
    »Ja.«
    Es war eine unbegrenzte Zustimmung, ein ewiges Ja. In Jill stieg plötzlich die Vermutung auf, daß Smith aus dem Fenster springen würde, wenn sie es ihm befahl - und sie hatte recht. Er wäre gesprungen, hätte jede Sekunde des Falls über zwanzig Stockwerke genossen und die Dekarnierung beim Aufschlag ohne Überraschung oder Groll akzeptiert. Auch wäre er sich nicht bewußt gewesen, daß ein solcher Fall ihn töten mußte.

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