Fremder in einer fremden Welt
Gedächtnis einordnen, um sie, wenn er Muße haben würde, von neuem zu durchleben.
Sein Bruder Jubal sagte ihm, er werde diesen seltsamen und schönen Ort schneller groken, wenn er lesen lerne. Also nahm er sich einen Tag Zeit, das zu tun, wobei Jill auf Wörter zeigte und sie aussprach. Das bedeutete, er mußte an diesem Tag dem Swimmingpool fernbleiben, was ein großes Opfer war, denn das Schwimmen bedeutete ihm (sobald er es in den Kopf bekommen hatte, daß es erlaubt war) nicht nur eine Freude, sondern auch eine beinahe unerträgliche religiöse Ekstase. Wenn Jill und Jubal ihn nicht gerufen hätten, wäre er überhaupt nicht mehr aus dem Pool herausgekommen.
Da es nicht erlaubt war, des Nachts zu schwimmen, las er die ganze Nacht. Er sauste durch die Enzyklopädia Britannica und nahm Jubals medizinische und juristische Bibliothek als Nachtisch zu sich. Sein Bruder Jubal sah, wie er eins der Bücher durchblätterte, unterbrach ihn und befragte ihn über das, was er gelesen hätte. Smith antwortete sorgfältig, da es ihn an die Prüfungen erinnerte, denen ihn die Alten unterzogen hatten. Sein Bruder geriet über seine Antworten aus der Fassung, und Smith fand es notwendig, in die Meditation zu gehen - er war sicher, daß er mit den Worten aus dem Buch geantwortet hatte, obwohl er sie nicht alle grokte.
Aber er zog den Pool den Büchern vor, besonders wenn Jill und Miriam und Larry und die übrigen sich gegenseitig bespritzten. Er lernte das Schwimmen nicht sofort, sondern entdeckte, daß er etwas konnte, das sie nicht konnten. Er ließ sich auf den Grund sinken und blieb dort liegen, eingetaucht in Seligkeit - woraufhin sie ihn mit solcher Aufregung herausholten, daß er sich gezwungen gesehen hätte, sich zurückzuziehen, wäre es nicht so offenkundig gewesen, daß sie um sein Wohlergehen besorgt waren.
Später führte er es Jubal vor und blieb eine köstliche Zeit unten am Boden liegen. Er wollte es auch seinem Bruder Jill lehren - aber sie beunruhigten sich, und er ließ davon ab. Zum ersten Mal wurde ihm klar, daß er manche Dinge tun konnte, zu denen seine neuen Freunde nicht fähig waren. Darüber dachte er lange nach und versuchte, es vollständig zu groken.
*
Smith war glücklich; Harshaw war es nicht. Er pflegte wie üblich der Muße mit der Abwechslung, daß er sein Laboratoriumstier beiläufig beobachtete. Er stellte für Smith keinen Plan auf, kein Studienprogramm, er nahm keine regelmäßigen medizinischen Untersuchungen vor, sondern erlaubte Smith, sich auszutoben wie ein junger Hund auf einer Ranch. Was Smith an Aufsicht widerfuhr, kam von Gillian - mehr als genug, wie Jubal verdrießlich meinte; er hatte eine undeutliche Vision von Jungen, die von Frauen großgezogen wurden.
Gillian Boardman tat jedoch kaum mehr, als daß sie Valentine Smith die primitivsten Grundlagen menschlichen Benehmens beibrachte - allerdings brauchte er sehr wenig Unterricht. Er aß jetzt mit am Tisch, zog sich selbst an (wie Jubal glaubte; er nahm sich vor, Jill zu fragen, ob sie immer noch dabei helfen müsse), er hielt sich an die informellen Gebräuche des Hauses und verarbeitete neue Erfahrungen auf der Basis >Affe-sieht-Affe-tut<. Seine erste Mahlzeit am Tisch begann Smith, indem er nur den Löffel benutzte, während Jill ihm das Fleisch schnitt. Am Ende der Mahlzeit gab er sich Mühe, so zu essen wie die anderen. Bei der nächsten Mahlzeit imitierte er in seinen Manieren genau Jill einschließlich überflüssiger Manierismen.
Nicht einmal die Entdeckung, daß Smith sich selbst beigebracht hatte, mit der Geschwindigkeit eines elektronischen Abtasters zu lesen, und daß er sich anscheinend an alles, was er gelesen hatte, vollständig erinnerte, brachte Jubal Harshaw in die Versuchung, aus Smith ein >Projekt< mit Kontrollen, Messungen und Fortschrittskurven zu machen. Harshaw besaß die überhebliche Demut eines Menschen, der soviel gelernt hat, daß er sich seiner eigenen Unwissenheit bewußt ist. Er sah keinen Sinn in >Messungen<, wenn er nicht wußte, was er maß. Statt dessen beschränkte er sich darauf, private Notizen anzufertigen, die er niemals veröffentlichen wollte.
Doch obwohl es Harshaw Freude machte, zuzusehen, wie sich dieses einzigartige Tier zu einer täuschenden Kopie eines menschlichen Wesens entwickelte, erlaubte ihm seine Freude nicht, glücklich zu sein.
Ebenso wie Generalsekretär Douglas wartete Harshaw darauf, daß der Gegner Flagge zeigte. In der Erwartung, man werde gegen ihn
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