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Fremder in einer fremden Welt

Fremder in einer fremden Welt

Titel: Fremder in einer fremden Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Heinlein
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können, taten es jedoch nicht. Das Konzept stand in krassem Gegensatz zu ihrer Lebensweise.
    Ein Marsianer, der ein paar Minuten oder Jahre zur Meditation brauchte, nahm sich die Zeit einfach. Ein Freund, der ihn zu sprechen wünschte, wartete so lange es nötig war. Mit der Ewigkeit vor Augen gab es keinen Grund zur Eile. Tatsächlich konnte für das Wort >Eile< kein Äquivalent in der marsianischen Sprache gefunden werden. Es war einfach undenkbar. Geschwindigkeit, Gleichzeitigkeit, Beschleunigung und andere Abstraktionen des Musters der Ewigkeit waren Teil der marsianischen Mathematik, aber nicht der marsianischen Emotionen. Betrachtete man nun die Menschen, so kam man zu dem Schluß, daß das ganze Chaos und die Rasanz der menschlichen Existenz nicht in einem mathematischen System von Zeit begründet lag, sondern in einer Dringlichkeit, die aus der sexuellen Bipolarität entstanden war.
    Dr. Jubal Harshaw, professioneller Clown, subversiver Amateur und Parasit aus eigener Wahl, hatte eine fast marsianische Einstellung zur >Eile<. In dem Bewußtsein, daß er nur kurze Zeit zu leben hatte, und ohne den Glauben der Bewohner des Mars und des Staates Kansas an die Unsterblichkeit zu teilen, beabsichtigte er, jeden goldenen Augenblick als Ewigkeit zu erleben - ohne Furcht, ohne Hoffnung, mit sybaritischem Genuß. Zu diesem Zweck brauchte er eine Behausung, die etwas größer als Diogenes' Tonne, aber kleiner als Kublai Khans Freudendom war. Sein Besitz bestand einfach aus ein paar Morgen Landes, das mit elektrischen Zäunen vor Unbefugten geschützt war, einem Haus mit etwa vierzehn Zimmern, in Bereitschaft stehenden Sekretärinnen und anderen modernen Annehmlichkeiten. Um sein karges Nest und seinen volkreichen Mitarbeiterstab zu unterhalten, setzte er ein Minimum an Anstrengung für ein Maximum an Entgelt ein, weil es leichter war, reich als arm zu sein - Harshaw wünschte, faul und in Luxus zu leben und zu tun, was Harshaw amüsierte.
    Er fühlte sich ungerecht behandelt, wenn die Umstände ihn zur Eile zwangen, und hätte niemals zugegeben, daß es ihm Spaß machte.
    An diesem Morgen empfand er es als notwendig, mit dem obersten Beamten des dritten Planeten zu sprechen. Er wußte, das Aufwecker-System machte es so gut wie unmöglich, den Kontakt herzustellen. Harshaw verabscheute es, seine eigene Person mit den Aufweckern zu umgeben, die seinem Rang angemessen gewesen wären. Er ging selbst ans Telefon, wenn er zufällig in der Nähe war. Denn bei jedem Anruf bestand die Möglichkeit, daß er grob zu irgendeinem Fremden werden konnte, der es wagte, ohne Grund - >Grund< nach Harshaws Definition - in sein Privatleben einzudringen. Ihm war klar, daß er solche Bedingungen im Verwaltungspalast nicht antreffen würde. Der Herr Generalsekretär meldete sich bei einem Anruf nicht selbst. Aber Harshaw hatte Jahre der Praxis im Überlisten menschlicher Bräuche. Gleich nach dem Frühstück nahm er die Sache fröhlich in Angriff.
    Eine ganze Weile später war er müde und äußerst frustriert.
    Sein Name trug ihn langsam durch mehrere Schichten von Aufweckern. Als kleinkalibriger VIP war er immerhin groß genug, daß er nirgendwo abgeschaltet wurde. Man reichte ihn von Sekretärin zu Sekretärin weiter, und am Ende sprach er mit einem höflichen jungen Mann, der bereit zu sein schien, endlos zuzuhören, ganz gleich, was Harshaw sagte - aber ihn nicht mit dem ehrenwerten Mr. Douglas verbinden wollte.
    Harshaw wußte, daß sofort hektische Aktivität ausgebrochen wäre, wenn er gesagt hätte, Smith befinde sich in seinem Haus. Er glaubte jedoch nicht, daß das Ergebnis ihm gefallen würde. Wie er die Lage einschätzte, würde diese Erwähnung des Mannes vom Mars ihn jeder Chance berauben, Douglas zu erreichen, aber eine starke Reaktion bei seinen Untergebenen hervorrufen - was er nicht wollte.
    Seine lebenslange Erfahrung hatte ihn gelehrt, daß es immer leichter war mit dem Oberboss zu schachern. Da Caxtons Leben auf dem Spiel stand, konnte Harshaw es nicht riskieren, seinen Plan daran scheitern zu lassen, daß ein Subalterner zuwenig Autorität oder zuviel Ehrgeiz besaß.
    Doch diese Abfuhr auf sanfte Art strapazierte seine Geduld. Schließlich knurrte er: »Junger Mann, wenn Sie nicht kompetent sind, lassen Sie mich mit jemandem sprechen, der es ist! Stellen Sie mich zu Mr. Berquist durch.«
    Der Handlanger verlor plötzlich sein Lächeln, und Jubal triumphierte schon in dem Gedanken, ihn endlich erwischt zu haben. Deshalb

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