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Fremdes Licht

Fremdes Licht

Titel: Fremdes Licht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Kress
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zusammengerollt und nackt
im engen schwarzen Schoß des Wroff.
    Es wurde kein Alarm ausgelöst. Schließlich hatte es
keine Menschenkinder nach R’Frow verschlagen. Die Geds, so
mathematisch und logisch, wie sie waren, wußten natürlich
definitiv über die Auswirkungen der wilden genetischen
Variabilität der Menschen auf die endgültige
Körpergröße derselben Bescheid; das Bibliothekshirn
hatte die Wahrscheinlichkeitsverteilung berechnet. Die
Wahrscheinlichkeit, daß ein Mensch in die Nahrungsschächte
paßte, war vernachlässigbar klein. Und SaSas Kleid
verdeckte den Monitor. Es wurde kein Alarm ausgelöst.
    SaSa wimmerte und rang mit einer schwarzen Wolke aus purer Angst.
Und ihr war, als könne sie bereits die dunkle, pelzige Stimme
hören, die sich in dieser Wolke versteckte wie ein Krieger im
Nebel. Aber sie hatte auch diesen Gedanken, und ihr Verstand
grapschte mit beiden Händen danach und hielt sich daran fest. Es
gab kein Entrinnen. Und jetzt ohnehin nicht mehr; denn sie
führte ihn bereits aus, den Gedanken. Sie war keine Hure mehr.
Das hatte sie nur ihm zu verdanken, und deshalb gab es kein
Entrinnen mehr. Dieser Gedanke war der einzige Halt, den sie in der
wirbelnden Schwärze hatte, das einzige, was verhinderte,
daß sie vor Angst den Verstand verlor. Dieser Gedanke war immer
dagewesen, immer.
    Was großzügig gewährt wird, das muß
großzügig erwidert werden.
    Er hatte sie gerettet. Und jetzt war er da
eingesperrt bei diesen Monstern. Was gewährt wird, muß
erwidert werden.
    Und SaSa glitt lautlos ins Innere der Grauen Mauer.

 
35
     
    Jehanna kam mit ausholenden Schritten an drei Schwestern
vorüber, die am Rand des Trainingsgeländes saßen und
sich ausruhten. Obwohl es noch nicht ganz hell war, hatten bereits
Kriegerinnen der ersten Wache ihr Morgentraining beendet. Neben
ihnen, im Gras verstreut, lagen Dreikugeln, Armbrüste,
Kugelrohre und Messer.
    »Du gehst in die falsche Richtung«, rief ihr eine der
Kriegerinnen zu. Jehanna runzelte die Stirn und ging weiter.
    »Sie geht auf Jagd.«
    »Nichts mehr zu holen in der Wildnis. Nicht der Mühe
wert.«
    »Du kommst zu spät zum Unterricht, Jehanna.«
    »Wo steckt Talot?«
    Jehanna blieb stehen und sah sie an. »Was geht euch das
an?«
    Eine ältere Kriegerin – keine Kaderführerin, aber
sie leitete an diesem Tag das Morgentraining – sagte ermahnend:
»Scharimor…«
    »Sie soll antworten wie eine Schwester«, sagte
Scharimor. »Wo ist Talot? Sie hat das Training
versäumt.«
    »In unserem Quartier.«
    »Und du, was hast du vor?«
    »Irgendwas, bloß nicht dasitzen!«
    Die ältere Kriegerin sagte beschwichtigend: »Du sitzt
selten genug, Jehanna. Du trainierst immer für einen ganzen
Kader.«
    »Wir wissen alle, daß sie nicht kleinzukriegen
ist«, sagte Scharimor bissig. Sie waren allesamt nervös und
gereizt, weil ihnen die Ereignisse des Vortages auf dem Magen lagen:
Jallaludin, der Krihundspakt, die Ächtung des ersten
Stellvertreters. »Nichts geht über unsere
Jehanna.«
    »Schluß jetzt!« sagte die Ältere.
»Jehanna, du gehst besser nicht allein zur Unterrichtshalle. Wir
sollten vorsichtig sein…«
    Jehanna schwoll der Hals. Sie mußte sich abreagieren. Sie
hatte schon die ganze Zeit auf eine Gelegenheit gewartet; die Ziele
auf dem Trainingsgelände taugten nicht dazu. »Vorsichtig!
Kriegerin sein, heißt also jetzt vorsichtig zu sein! Seit wann?
Oder ist das nur ein anderes Wort für Feigheit?«
    Die Kriegerinnen murrten, aber die Trainingsleiterin stand auf und
sagte ruhig: »Das nächste Opfer könnte ein Jelite
sein, Jehanna. Wer weiß? Die Delysier könnten sich
rächen für… für gestern.«
    »Oder sich daran ergötzen«, murrte jemand.
    »Wir können es uns nicht leisten, noch mehr Krieger zu
verlieren. Du weißt, wie sich diese Schleimer an Verträge
halten. Wenn du allein zur Unterrichtshalle gehst…«
    »Sie sollen nur kommen«, sagte Jehanna wütend. Und
stur. Sie wußte, daß sie stur war, und das machte sie
noch wütender, und folglich nahm sie das Kinn hoch und setzte
stur ihren Weg fort. Die ältere Schwester hatte recht; es war
falsch gewesen, sich mit ihr anzulegen, und es war falsch, allein zur
Unterrichtshalle zu gehen. Das war das ganze Problem mit dieser
miesen, pißwarmen Stadt – man konnte nichts tun. Nicht
jagen, nicht kämpfen, und raus konnte man auch nicht.
Wände. Wo man hinkam, Wände. Man konnte nichts tun.
    Sie konnte nichts für Talot tun.
    Talot hatte die Nahrung verweigert, wollte keinen

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