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Fremdes Licht

Fremdes Licht

Titel: Fremdes Licht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Kress
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Sex und wollte
– was Jehanna überhaupt nicht kapierte – nicht mal
aufs Trainingsgelände, um Attrappen mit Dreikugeln zu
bepfeffern. Ob sie denn auch nicht in die Unterrichtshalle wollte,
hatte Jehanna sie gefragt. Talot hatte ihr keine Antwort gegeben
– hatte bloß dagelegen, das Gesicht in den Kissen, das
rote Haar ungeöffnet und nicht durchgebürstet, der
Kriegerknoten halb aufgelöst. Und der Anblick der feuchten
Strähnen hatte Jehanna mit solch hilfloser Wut erfüllt,
daß sie ihn nicht länger hatte ertragen können und
kurzerhand gegangen war. Talot litt, und Talots Leid war irgendwie
auch ihr Leid geworden. Aber wie war das möglich? Talot war eine
von diesen Wänden geworden, gegen die Jehanna fortwährend
anrannte, die einen hierhin und dorthin lenkten, bis man
urplötzlich vor jemandem stand, dessen Leid einem weh tat, als
wäre es das eigene.
    Das schlimmste war, daß man nichts gegen das Leid tun
konnte. Talot war nicht zu helfen. Eins stand fest – wenn sie,
Jehanna, nicht irgend etwas unternahm, und zwar bald, dann würde
sie genauso verrückt werden wie alle anderen in R’Frow.
Dann würde sie noch verrückter werden, als sie es ohnehin
schon geworden war in dieser schleimigen Stadt, wo urplötzlich
Wände auftauchten, die einen nicht mal mehr zu sich selbst
ließen.
    Sie zog das Messer und drosch grimmig auf ein brusthohes
Büschel Bachgras ein; anstatt zu platzen und die Samen zu
verstreuen, hingen die Ähren bloß an ihren gebrochenen
Hälsen und taumelten träge durcheinander.
    Sie bog vom Pfad zur Unterrichtshalle ab und schlug den Weg in die
Wildnis ein. Kein Lernkader heute morgen – kein Monstergesabbere
– kein Kommandant, der keiner mehr war – keine blasierten
Delysier mit nichts als Jallaludin in den Augen. Ohne mich! Nicht
mit mir!
    Sie trabte im Laufschritt, hielt sich sicherheitshalber dicht an
der Nordwand. Die Luft fächelte ihre Wangen, ohne sie zu
kühlen. Sie schüttelte den Kopf, um ihr Elend loszuwerden,
verschlimmerte es dadurch aber nur. Sie nahm die Armbrust fester in
den Griff. Sie wünschte sich nichts sehnlicher, als ein Tier zu
erlegen. Könnte ich doch irgendwas tun…
    Da vorne links stand der graue, wuchtige Klotz der unbenutzten
Halle. Halt, nein – der riesige Barbar hauste da. Mit der
kleinen Hure, die er gestohlen hatte. Jehanna konnte nicht um die
Ecke herumsehen und verlangsamte ihr Tempo. Sie wollte niemandem in
die Arme laufen.
    Sie vernahm Männerstimmen hinter der Ecke.
    Sie legte einen Pfeil in die Armbrust, nahm ihn wieder heraus und
zog statt dessen das Kugelrohr aus dem Gürtel. Wenn sie eben
noch von ziellosem Zorn getrieben wurde, so war sie jetzt vom
Scheitel bis zu den Zehen kalte Konzentration. Ein paar
kümmerliche Sträucher als Deckung nutzend trat sie rasch um
die Ecke. Delysische Soldaten – endlich tat sich was.
    Doch die beiden Männer waren Jeliten.
    Bürger, keine Krieger. Sie standen mit dem Rücken zu
ihr. Bürger? Jehanna ließ das Kugelrohr sinken und
richtete sich darauf ein, sie zur Rede zu stellen, warum sie hier und
nicht auf dem Weg zur Unterrichtshalle waren. Da bewegte sich einer
von ihnen und gab den Blick auf eine Frau frei. Die delysische
Glasbläserin, in jeder Hand einen Tonbecher, alle Farbe war aus
ihrem Gesicht gewichen.
    Der Bürger tat einen Schritt auf Ayrid zu. Jehanna verfolgte,
wie Ayrid erst auf die Becher, dann in das Gesicht dieses Mannes und
dann wieder auf einen der beiden Becher blickte. Der Mann streckte
einen muskulösen Arm aus. Ayrid schleuderte ihm den Becher ins
Gesicht, wirbelte herum und lief.
    Sie warf natürlich daneben, genauso wie in der Savanne, als
sie die blaue Glasflasche geschleudert hatte. Beide Männer
setzten ihr nach und hatten sie im Nu eingeholt.
    Jehanna war wieder in der Savanne, am Fluß, jenseits der Grauen Mauer. Ayrid lehnte benommen an einem Baum und sagte
mit blassen Lippen: »Was, wenn die beiden Jeliten gewesen
wären? Hättest du mir dann auch beigestanden?« Aber
jetzt war sie quitt mit der Schleimschnecke. Es war Talot, die in Not
war. Talot brauchte Hilfe – aber Talot ließ sich nicht
helfen. Und eine Oberkommandierende lieferte dem Erzfeind einen
Krieger ans Messer, ächtete ihren ersten Stellvertreter, und
alle alten, rechtschaffenen Regeln wurden zu Wänden, die nicht
standhielten.
    Ayrid kreischte. Die beiden stießen sie zu Boden; einer bog
ihr von hinten die Arme über den Kopf, der andere kniete sich
über sie und hob einen Stein auf.
    Einen Delysier

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