Fremdes Licht
von SaSas Kleid.
Graxens Hautpartie unter dem zentralen, etwas größeren
Auge runzelte sich. Grax war sich dessen gar nicht bewußt, und
folglich reagierten seine Pheromondrüsen auch nicht. Rowir und
Krak’gar waren in ihre Arbeit vertieft, sie hatten ihm den
Rücken zugekehrt und merkten auch nichts. Keiner hatte so viele
Stunden allein mit einem Menschen verbracht, wie Grax mit Dahar
zugebracht hatte. Wahrscheinlich hätten sie Graxens Version
dieser menschlichen Mimik nicht einmal als solche erkannt. Hätte
Grax sie bei den anderen gesehen, hätte er sie wahrscheinlich
auch nicht erkannt.
Er beäugte immer noch – stirnrunzelnd – den blinden
Schirm.
41
Der Streifen orangefarbenen Lichts, der schräg in die
Dunkelheit fiel, schrumpfte zusammen, und dann war Dahar fort. Ayrid
lag allein im Finstern und starrte zur Tür.
Ich habe ihm nichts davon erzählt, dachte Ayrid
schließlich. Ich habe ihm nichts über die lauschenden
Helme oder die ringförmigen Augen der Geds erzählt… »Ich habe dich beobachtet, und da war nur R’Frow.«
– »Nichts, was je auf Quom passiert ist, ist so bedeutsam
wie der Besuch der Geds, wie die Gedwissenschaft.« Ich habe
ihm nichts davon erzählt.
Sie strich sich mit den Fingerspitzen über die Lippen. Als
plötzlich die Tür wieder aufging, fuhr Ayrid mit einem Ruck
auf und grapschte nach einem Laken, um ihre Blöße zu
bedecken.
»Ayrid«, sagte Ondur, »ich komme, um dir beim
Waschen zu helfen. Hast du Hunger? Wie geht es deinem Bein?«
Hinter ihr im Flur stand Kelovar, ein stummer, dunkler Schemen; er
hatte ihr die Tür öffnen müssen, die nur auf seinen
und Ayrids Daumen reagierte.
»Was ist mit deiner Lampe los? Da ist ja Stoff drüber.
Na, geh schon, Kelovar, Ayrid muß sich waschen. Warum hast du
das Licht abgedeckt?«
»Es… hat mir in den Augen weh getan.«
Ondur drückte mitten in den Stoff, und es wurde schlagartig
hell im Raum. Sie balancierte eine Schüssel mit warmem Wasser
auf der einen Hüfte, und auf dem anderen Arm Tücher und
Schüsseln mit dampfendem Essen. Munter sagte sie: »Das war
vielleicht der Saft. Kelovar, nun mach aber, daß du
fortkommst.«
Er hatte sich nicht von der Stelle gerührt. Ayrid wagte es
nicht, ihn anzusehen. Dann, mit einem kurzen Schnalzen, stieß
Ondur ihren Fuß nach hinten und gab der Tür einen Schubs,
daß sie zuschwang und sanft ins Schloß fiel. Sie grinste.
»Manchmal verstehen sie nichts anderes! Na, was macht dein Bein?
Ich will es nicht aufschnüren, aber ich setz dir das Wasser
hierher, dann kannst du…« Sie verstummte.
Ayrids Blick flog von dem zugeklebten Kreis an der Wand zu Ondur,
die eben das Wasser abgesetzt hatte und sich neben die Kissen kniete.
Ondur hatte große Augen bekommen und schnupperte mit
ausgestellten Nasenflügeln. Ayrid verstand: sie roch den
verströmten Samen.
Die beiden Frauen sahen einander an.
»Kelovar?« sagte Ondur zweifelnd.
»Nein.«
»Wer dann?«
»Ondur, verlang bitte keine Antwort!«
Bei Ondur hatte sich ein verschmitztes Lächeln angebahnt,
aber als Ayrid die Frage mit solchem Nachdruck zurückwies, da
war es wie weggeblasen; Ayrid hätte sich ohrfeigen können.
Zu blöd – so dick aufzutragen. Sie war nervös und
todmüde, und das Bein begann zu pochen. Ondur werkelte mit ihren
Handtüchern herum.
»Schon gut, ich wollte dir nicht zu nahe treten.«
Ayrid drückte Ondurs Hand aufs Kissen und zwang sich zu einem
Lächeln. Einen Augenblick später gluckste Ondur.
»Und dann mit so einem Bein. Du mußt ganz schön
verrückt sein, Kleines – und er nicht minder!«
Ayrid kämpfte eine hysterische Regung ihres Zwerchfells
nieder. Aufpassen, sie mußte aufpassen – gib auf dich
acht, Dahar! – diese Nervosität, die einem
Übermaß an Gefühl und einem Mangel an Schlaf
entsprang, konnte sie verraten. Sie spürte, wie verwundbar sie
war. Und Ondurs Zuneigung, eine schlichte, klare Zuneigung, so robust
wie Gras, verunsicherte sie noch mehr. Sie hatte fast vergessen,
daß es so was noch gab zwischen den Kletterpflanzen, die in
R’Frow alles andere zu ersticken schienen.
»Ondur, warum tust du das? Warum kümmerst du dich so um
mich?«
Ondur fing an, Ayrids gesundes Bein zu waschen. »Warum denn
nicht? Du hättest mir auch geholfen, wenn ich diesem Gesindel in
die Hände… oh, tut mir leid, ich wollte nichts
kaputtmachen. Was ist das? Wissen die Geds, daß du diese ganzen
Drähte und all das Zeug hier auf deinem Zimmer hast?«
Ayrid konnte sich nicht bremsen;
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