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Fremdes Licht

Fremdes Licht

Titel: Fremdes Licht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Kress
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andere nur mit einem Eiterabstrich, dann
könnten wir sogar die Wirkung von Licht und Feuchtigkeit
unterscheiden. In der Phiole ohne Wasser wird schon nach wenigen
Stunden keine Feuchtigkeit mehr sein, so daß…«
    Lahab unterbrach ihn; Lahab, der Handwerker, der sich nie zu Wort
meldete, und der nach wie vor den Blick gesenkt hielt, wenn Dahar im
Raum war, ganz so wie es sich für einen jelitischen Bürger
in Gegenwart eines Kriegers gehörte.
    »Das durchsichtige Wroff würde wie eine Linse wirken.
Dahinter würde es unnatürlich heiß werden. Direkte
Sonne ist anders.«
    Das war nicht von der Hand zu weisen. Krijin begann zu sprechen;
Dahar unterbrach sie. Tey stieß sich mit der Schulter von der
Wand ab und näherte sich dem glühenden Kreis; etwas von der
rätselhaften Schläue war aus seinem Gesicht gewichen. Die
vier diskutierten, spekulierten, machten Vorschläge. Krijin
machte rasche Bewegungen mit den Armen, wobei ihre Hände
irgendeiner Idee zu einer flüchtigen Gestalt verhalfen. Sie
redeten lauter, sogar Lahab, seine träge Stimme ein dumpfes
Rumpeln unter den drei lebhafteren. Er schüttelte den Kopf
über etwas, das Krijin vorschlug, war der Meinung, es würde
nicht funktionieren. Tey verstand nicht, was Lahab meinte, und Dahar
erklärte es ihm.
    Grax beobachtete sie, sein Blick wanderte hin und her zwischen dem
delysischen Händler, dem jelitischen Handwerker, dem ehemaligen
Krieger und der Gemmenschnitzerin. Das war das erste Mal, daß
es keine unsichtbaren Wände zwischen den vieren gab; Basar,
Schlachtfeld, Schwert der Ehre, Delysia und Jela waren für den
Augenblick vergessen.
    Nicht so bei Ayrid. Grax war anstandslos bereit, den Preis zu
zahlen; er war so anständig, wie Dahar gesagt hatte. Eigentlich
sollte nun ihr ganzer Argwohn in einer Welle der Erleichterung
ertrinken. Doch die Welle blieb aus.
    Delysia steht für Hinterlist. Auch wenn Grax ihre
Frage ehrlich beantwortet hatte, auch wenn das, was sie empfand,
gegenstandslos war, auch wenn es sie verwirrte – Ayrid konnte
sich nicht an die unausgesprochene Vereinbarung halten. Sie
mißtraute ihm immer noch.
    »Licht«, sagte Dahar triumphierend, und sie zwang
sich zu einem Lächeln.

 
53
     
    Der welke Mensch auf der Insel begann sich zu bewegen.
    Zum zweitenmal humpelte er nahe an die freischwebende Sonde heran.
Die dunklen Augen in ihren tiefen, schattigen Höhlen musterten
den fremden Apparat.
    »So was hatten wir nicht. Nicht so was. Gibt es noch ein
anderes Schiff auf dem Kontinent, da wo sie alle hin sind… wie
lang ist das her?«
    Die Sonde entfernte sich von ihm, schwebte zur
gegenüberliegenden Wand, wo sich die primitive Tastatur befand.
Der Mensch drehte sich um, folgte der Sonde mit den Augen.
»Improvisiert. Wie alles hier. Wir haben getan, was wir konnten.
Die genug Grips hatten, denen habe ich alles beigebracht, was ich
wußte – auch meinem Sohn…«
    Ein Kind spähte durch die Türöffnung, ein kleiner
Junge mit schwarzem Kraushaar und glänzenden schwarzen Augen. An
seinen Schultern saßen fleischige Stummel, an denen welke
Hautlappen hingen. Die Sonde bewegte sich auf den Jungen zu; der
kleine Kopf flog schräg in den Nacken, die schwarzen Augen
starrten zu dem Apparat hinauf.
    »Sind sie noch auf dem Kontinent?« sprudelte es
verzweifelt aus dem Alten. »Sind sie noch da? Es waren so viele
– Soldaten, Ärzte und die ganzen verfluchten Kolonisten,
alles Querulanten, Sezessionisten… Sind sie noch da? Immer
noch?«
    Der Kleine grinste. Abrupt ließ er sich auf den Rücken
fallen, hob das rechte Bein und schien der Sonde mit seinen fünf
schmutzstarrenden, quicklebendigen Zehen zu winken. Von irgendwo rief
eine Frau, ihre Stimme klang hoch, entweder aus Ärger oder aus
Angst: »Ali! Ali – wo steckst du?« Der Kleine grinste
von einem Ohr bis zum anderen.
    Der Alte sagte: »Du mußt vom Kontinent kommen. Oder du
kommst aus dem Orbit. Mein Sohn und die anderen
Grünschnäbel haben sich das Landeboot genommen, vor drei
Tagen – sie haben es irgendwie wieder flott gemacht und sind auf
und davon damit. Gestohlen haben sie es. Mein Sohn. Ein Sohn
Allahs.«
    Die Sonde nahm eine Position direkt über dem Kind ein. Der
Junge tippte den Apparat mit dem dicken Zeh an.
    »Hat mein Sohn dich geschickt? Sie waren zu fünft; mein
Sohn, das ist der Riese – ›Riesen werden unter uns
sein‹.« Seine Stimme schlug um. »Stumm. Alle
stumm… haben sie euch von dem Stasisfeld erzählt? Haben sie
euch erzählt, was mit uns

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