Fremdes Licht
Ayrid diese Hautkrankheit zum
Stillstand brachten.
Das war nicht auszuschließen. Eine Verschwendung an Kraft
und Zeit, unharmonisch, frustrierend, umständlich, eine
chaotische und abscheuliche Perversion des mathematisch-logischen
Denkens – aber es war nicht auszuschließen.
»Was passiert mit entzündeter Haut an einem trockenen
Tag mitten bei Lichtschlaf, draußen in der Savanne?« sagte
Dahar in Graxens Kopf. »Die Luft wäre heiß und
trocken. Wir könnten das mit dem Brennofen eines Töpfers
testen – die Luft ganz austrocknen!«
»Mitten bei Lichtschlaf…«, sagte Ayrid.
Die Methode, eine Hypothese durch ein Experiment zu erhärten
oder zu widerlegen, hatte Grax ihnen beigebracht.
Alle achtzehn hatten zu hören bekommen, was Grax zu
hören bekommen hatte. Alle waren unterwegs zur Leitstelle, wo
man den nächsten Schritt diskutieren mußte – und die
vorausgegangenen. Hätte man diese fatale Perversion des
mathematisch-logischen Denkens vorausgesehen, dann hätte man ein
Virus mit einer weniger empfindlichen Ökologie gewählt.
Soviel Voraussicht hatte nicht einmal das Bibliothekshirn bewiesen,
das nach den Denkmustern der Geds geschaffen war.
Das Bibliothekshirn begann mit einer statistischen Analyse. Grax
bat es zu schweigen. Er gewahrte seine eigenen Pheromone: Ärger,
Besorgnis, Verblüffung und Furcht. Aber er war es, der diese
Menschen unterrichtete, und er brauchte jetzt einen Augenblick, um
seine Pheromondrüsen unter Kontrolle zu bringen, bevor er zu den
anderen eilte. Sein Ärger mußte kräftiger zu riechen
sein als der ihre. Er hatte Dahar unterrichtet.
Ärger, Besorgnis, Verblüffung, Furcht – und der
beschämende Geruch nach Stolz.
52
Das Feuer, das Dahar im Waffenhof entfacht hatte, erzeugte ringsum
eine intensive, trockene Hitze und ein Licht, so hell wie nirgends in
R’Frow.
»Blendend«, bemerkte Tey mit seiner melodischen Stimme.
Er lehnte in Ayrids Nähe mit verschränkten Armen an der
Wand. »Was meinst du? Ob es funktioniert?«
»Warum hilfst du Krijin nicht beim Holztragen?« sagte
Ayrid gereizt. Sie mochte den kleinen Händler inzwischen nicht
mehr und nicht weniger, als sie ihn vor Zehnzyklen gemocht hatte.
»Krijin kommt auch ohne mich zurecht«, sagte er. Er
griemelte; alles, was er sagte, schien doppelsinnig zu sein, ob es
das nun war oder nicht. »Außerdem wäre der Krieger
bestimmt nicht erfreut über meinen Beistand. Gegen den Beistand
einer Frau ist natürlich nichts einzuwenden.«
Ayrid betrachtete ihn. Man wußte nie, was Tey meinte oder
dachte: vielleicht tat er sich nur wichtig.
Krijin hatte anfangs nicht viel von der Idee gehalten, die
›Bakterien‹ hellem Licht und großer Hitze
auszusetzen. Von allen war sie die geschickteste im Umgang mit den
Phiolen und dem ganzen Besteck aus Wroff, Dingen, von denen sie sich
vor einem Jahr noch nichts hatte träumen lassen. Ayrid verglich
Krijin im stillen mit einem kleinen Höhlentier – Krijin
arbeitete emsig und unermüdlich, aber sie mochte nur ungern
etwas Neues versuchen. Sie hätte am liebsten weiterhin versucht,
der Krankheit mit Mischungen aus Antitoxinen und Heilmitteln
beizukommen. Ayrid hatte beobachtet, wie sie unter Dahars kraftvollen
Argumenten dahingeschmolzen war, und Grax hatte beobachtet, wie Ayrid
die beiden beobachtet hatte.
Lahab schliff weiter an seinen Linsen. Grax beantwortete seine
Fragen, beantwortete Dahars Fragen, beantwortete prompt und
ausführlich, was immer man ihn fragte.
Und Ayrid beobachtete.
»Bei Trockenheit und starkem Licht vermehren sich die
Bakterien langsamer«, sagte Dahar, nachdem man das Feuer
abwechselnd zwei Tage lang in Gang gehalten hatte, »aber sie
vermehren sich immer noch.« Er hielt zwei Phiolen um
Armeslänge von sich gestreckt und musterte den Inhalt. Die eine
Lösung war wolkig, die andere trüb. Krijin betrat den
Unterrichtsraum und brachte zwei weitere Phiolen aus dem Hof.
»Das sind die Fläschchen, die am weitesten weg standen.
Guck mal, die sind beide eben wolkig.«
»Nicht genug Hitze.«
»Oder zuwenig Licht«, sagte Tey. »Woher wollt ihr
wissen, woran es liegt?«
Dahar gab keine Antwort. Er studierte die Phiolen, seine groben
Züge verrieten Anspannung.
Krijin sagte zaghaft: »Aber keins von den Fläschchen ist
ganz klar. Wir haben nichts erreicht. Solange die Bakterien sich
vermehren, werden sich die Leute anstecken.«
Dahar zog eine Grimasse. »Wir könnten die Phiolen noch
ein paar Tage draußen lassen. Vielleicht spielt die
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