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Fremdes Licht

Fremdes Licht

Titel: Fremdes Licht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Kress
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Zeit eine
Rolle. Wenn sie länger im Licht bleiben…«
    »Nein«, sagte Ayrid. »Sie haben zwei Tage und zwei
Nächte am Feuer gestanden. Das ist so lang wie ein Dreitag. Die
Zeit ist überall dieselbe – es liegt am Licht. Das
Feuerlicht ist kein Sonnenlicht. Ich hab das schon mal gesagt, aber
Grax war dafür, das Experiment so durchzuführen.«
    Es wurde still im Raum.
    Ayrid manövrierte den Gedstuhl näher an die Phiolen
heran, die Dahar in den Händen hielt. Sie betrachtete sie
kritisch, mied aber Dahars Augen. »Wir müssen die Phiolen
aus R’Frow herausbringen und in die Savanne setzen. Dann werden
wir sehen, ob Sonnenlicht die Bakterien tötet. Und wenn das der
Fall ist, dann kennen wir die Ursache der Krankheit – das
künstliche Licht von R’Frow.« Sie lauschte einem
schwachen Echo in ihrem Gedächtnis – künstliches
Licht –, doch sie verfolgte die Spur nicht weiter. Das Echo
in ihrem Kopf war nicht wichtig; wichtiger war, was Grax dazu
sagte.
    Dahar sagte ein bißchen kühl: »Darüber habe
ich schon mit Grax gesprochen. Er sagt, wenn man die Tore von
R’Frow öffnet, dann könnte es sein, daß die
Bakterien mit der Luft nach draußen gelangen. Wir könnten
Quom verseuchen. Und falls das Sonnenlicht die Krankheit nicht heilt… Wir müssen die Phiole wenigstens einen Dreitag
lang draußen lassen, und Grax sagt, daß immer noch Leute
vor den Toren kampieren. Was, wenn jemand die Phiole im Laufe des
Dreitags an sich nimmt?«
    »Ich habe darüber nachgedacht«, sagte Ayrid. Sie
holte tief Luft. Vergangene Nacht hatte Dahar bis in die
Morgenstunden mit Grax gearbeitet; sie hatte viel Zeit gehabt,
darüber nachzudenken.
    Sie wendete ihren Stuhl, so daß sie mit dem Gesicht zu Grax
saß. »Wir wollen die Phiole mit den Bakterien ins
Sonnenlicht setzen. Du sagst, wenn man die Tore öffnet, dann
entweicht Luft, und in dieser Luft könnten Bakterien sein. Aber
es gibt eine Möglichkeit, Sonnenlicht hereinzulassen, ohne
daß Luft entweicht. Ihr könnt Wroff auflösen und
verformen – das haben wir alle gesehen. Und wenn ihr wißt,
daß draußen vor den Toren noch Leute kampieren, dann
muß es da in der Mauer irgendwo ein durchsichtiges Stück
Wroff geben, durch das man nach draußen blicken kann. Blase
einfach einen kleinen durchsichtigen Wroffbauch in die
Außenmauer, unten am Boden – am besten an der
Südseite, der Sonnenseite von R’Frow. Setze die Phiole in
die Wroffblase. Dann steht sie im Sonnenlicht, und die Luft von
R’Frow bleibt, wo sie ist.«
    Die anderen starrten sie an. Ayrid ignorierte sie alle vier und
ließ den Blick nicht von Grax.
    Der Ged sagte: »Wir benutzen kein durchsichtiges Wroff, um
nach draußen zu blicken. Wir benutzen dazu dieselben
künstlichen Augen, mit denen wir die Menschen in R’Frow
beobachtet haben.«
    »Aber könnt ihr nicht einen Teil des grauen Wroff, aus
dem die Mauer besteht, durch klares Wroff ersetzen? Wenn ihr
wollt?«
    Grax antwortete nicht sofort. Er setzte wieder seine Lauschermiene
auf – und mehr noch tat sich in dem fremden Gesicht. Ayrid
beobachtete es so eingehend, wie sie zeitlebens noch keines
beobachtet hatte, und bemerkte geringfügige Veränderungen,
die ihr sonst nie aufgefallen wären. Und ihr war, als wisse sie
zum erstenmal, was in Grax vorging. Er wog die
Geschäftsbedingungen ab.
    Denn um ein Geschäft handelte es sich, um ein richtiges
delysisches Geschäft, frei von jeglichen Skrupeln jelitischer
Ehrauffassung; sie verlangte einen hohen, aber nicht unverschämt
hohen Preis. Tu ich das, dann tut sie das – ist das zuviel
verlangt? Nein! Eine Stelle in der Stadtmauer manipulieren, so
daß Sonnenlicht auf die Phiole fällt, und Ayrid würde
damit aufhören, die Glaubwürdigkeit der Geds in Frage zu
stellen. Auf Ayrids Vorschlag eingehen, ohne an die Folgen zu denken,
bis auf eine: das Experiment würde alle ihre Zweifel ersticken.
Seine Gefälligkeit gegen ihre wissenschaftliche Skepsis, die er
sie gelehrt hatte.
    Die delysischen Bürgerrechte gegen die Freiheit des Geistes.
Auf dieses Geschäft hatte sie sich damals nicht eingelassen, als
sie auf ihrem Recht bestanden hatte, eine blaurote Doppelhelix aus
Glas herzustellen.
    Ihr war, als könne sie Grax ansehen, daß er sich
entschieden hatte.
    »Ja. Eine transparente Wroffblase in der äußeren
Stadtmauer ist machbar.«
    Abgemacht? Abgemacht!
    Krijin rief aufgeregt: »Das ist gut. Das
funktioniert.«
    »Wenn wir zwei Phiolen nehmen«, sagte Dahar, »eine
mit Eiter und Wasser und die

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