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Fremdes Licht

Fremdes Licht

Titel: Fremdes Licht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Kress
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Unrecht.
    Ayrid zwang sich, Kelovar in die Augen zu sehen. »Jela
geholfen, nein. Ich habe mit Grax gearbeitet. Und das heißt,
ich kann in die Mauer. Willst du nun deine Soldaten befreien,
Kelovar? Willst du in die Mauer?«
    »Sag erst, warum du das tust.«
    Sie erinnerte sich, wie er mit dem Stiefel in ihre erste
bescheidene Erfindung getrampelt war, erinnerte sich seiner
Eifersucht, seines Spotts, und machte sich verwundert klar, daß
in diesem waghalsigen Spiel die Wahrheit durchaus ihren Platz hatte
– eine Wahrheit, die Kelovar gefallen würde. »Die Geds
haben mich betrogen. Sie haben uns unterrichtet, aber sie haben uns
nicht die Wahrheit gesagt, sie wollten uns nur locken, wollten nur,
daß wir ihnen vertrauen, um im passenden Moment Gefangene zu
machen und sie zu quälen, während andere… Kelovar, sie
wollen Menschen mitnehmen, sie wollen sie mitnehmen in dem
Sternenboot, mit dem sie nach Quom gekommen sind, und ich glaube, ich
weiß auch, warum…« Ayrid schwankte
unwillkürlich. Dahar, der schon wieder in einen Verrat
hineinschlitterte. Sie hielt den Atem an; sie hatte sich keine
Blöße geben wollen vor Kelovar, hatte nicht die kleinste
Schwäche zeigen wollen.
    Kelovars Züge nahmen einen anderen Ausdruck an. Er wandte
sich mit knappen Worten an den Soldaten, der sich daraufhin sofort
entfernte. Er hockte sich neben Ayrid auf die Fersen, streckte eine
Hand aus und berührte ihre Wange. Seine Finger fühlten sich
klebrig an, doch sie waren zärtlich.
    Irrtum – sie hatte ihn falsch eingeschätzt. Er
mochte sie schwach, hatte sie immer am liebsten schwach gesehen. Und
in dem Zerrbild, das R’Frow aus ihm gemacht hatte, hauste immer
noch ein zärtliches Gefühl für ihre Schwäche
– eine grausige, durstige Zärtlichkeit, die sich an ihrer
Schwäche labte. Ayrid fröstelte.
    »Niemand wird dich irgendwohin mitnehmen, Ayrid.«
    Er stank nach Asche und Blut. Sie zwang sich wieder, ihm offen in
die Augen zu sehen. »Trägst du mich zur Mauer, Kelovar? Ich
kann nicht laufen. Und ich bin wehrlos.«
    »Warum willst du in die Mauer?«
    »Um mich für die grausamen Lügen zu rächen.
Und du kannst deine Soldaten befreien. Ein… Handel.«
    »Nein. Ein Pakt.«
    Sie zuckte nicht mit der Wimper. »Ja. Ein Pakt.« Wie der
Krihundspakt.
    »Hab ich es nicht gesagt? Du bist und bleibst eine
Delysierin. Ich hab das Karim und Arwa gesagt – allen hab ich
das gesagt.« Er nahm sie nicht in die Arme. Statt dessen brachte
er sein Gesicht ganz nahe an das ihre heran, nicht, um sie zu
küssen, sondern um sie mit seinem Blick zu durchbohren. Ayrid
konnte nicht wegsehen. Orangefarbene Lichtreflexe glitten über
die obere Hälfte der wasserhellen Augen, gefolgt von den
Spiegelbildern der Zweige, die in den unnatürlichen Böen
nicht zur Ruhe kamen. Eine Handbreit vor ihrem Gesicht lächelte
er, ein huldvolles Lächeln, ein schrecklicher Zug in dem
rauchgeschwärzten, blutverschmierten Gesicht. »Ich hab es
Karim gesagt…«
    »Keine Bewegung!« rief eine Stimme.
    Ayrid bemerkte, wie Kelovar sich versteifte, nach der Waffe
greifen wollte, den Reflex unterdrückte. Wut straffte sein
Gesicht. Ayrid ruckte mit dem Oberkörper zur Seite, damit sie an
Kelovar vorbeisehen konnte; sie sah, warum er stillhielt: zweierlei
saß ihm im Nacken, eine Messerspitze und ein roter
Betäubungslappen.
    »Vergewaltigung oder Liebe?« sagte Jehanna.
    Ayrid starrte sie an.
    »Was ist es diesmal, Ayrid? Die da« – Jehanna
meinte SaSa, und obwohl ihre Stimme flackerte, schwankten ihre
Hände keinen Augenblick – »faselt von Vergewaltigung.
Aber das sieht mir nicht danach aus. Das heißt also, du kannst, wenn du willst – in die Mauer, meine ich. Und ich
dachte schon… Wenn er dich vergewaltigen wollte, mache ich
kurzen Prozeß mit ihm, und du bringst mich zu Talot. Wenn er
dein Liebhaber ist, machst du dasselbe – oder er stirbt. Was ist
nun?«
    Ayrid sah SaSa an der anderen Seite des Pfads kauern. Das
Entsetzen in SaSas Gesicht, bevor sie auf und davon war, hatte also
ihr, Ayrid, gegolten. Um Dahar zu retten, hatte sie Jehanna nicht
holen wollen, doch als sie Ayrid in Gefahr glaubte, da hatte sie
verzweifelt nach der verhaßten Kriegerin gesucht.
    Und hatte dadurch alles zerstört.
    Jehanna wiederholte: »Liebe oder Vergewaltigung?«
    Ayrid begegnete Kelovars Augen. Sie brauchte ihn nicht mehr, um
zur Mauer zu gelangen. Jehanna konnte sie tragen, Jehanna konnte
kämpfen, mit ihr ins Geschäft zu kommen, war nicht das
Problem. Nur der Preis

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