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Fremdes Licht

Fremdes Licht

Titel: Fremdes Licht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Kress
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wartete. Dahar nahm die Waffen aus seinem
Gürtel, legte sie auf den Boden und begann wieder, das Wroff zu
aktivieren. Grax sah, wie die langen, unförmigen Menschenfinger
zitterten.
    »Zeig mir, was ich machen muß.«
    »Im Schiff brauchst du keine Waffen. Du brauchst keine
Taschen für deine Waffen, Dahar.«
    Dahar schwieg. Er war ganz in das komplizierte Fingerspiel
vertieft, das Grax ihn gelehrt hatte; Lernen war für ein
primitives Wesen wie Dahar die einzige Möglichkeit, an der
Einheit zu partizipieren.
    Grax machte ihm das neue Fingerspiel vor, mit dem sich Taschen
erzeugen ließen, die von außen zugänglich waren, und
Dahar drehte sich so, daß Lahab ihm zusehen konnte, als er den
Ablauf wiederholte.

 
65
     
    Als die Wirkung des Betäubungslappens nachließ, schlug
Kelovar die Augen auf. Jehanna hatte ihm die Handgelenke an die
Fußknöchel gefesselt. SaSa kauerte neben Ayrid, und
Kelovars Blick schleppte sich von einer Frau zur anderen. Die Kuppel
überschwemmte alles mit ihrem zähen, trüben Licht,
badete sie alle vier in dieses geisterhafte Orange und schickte
schemenhafte Spiegelbilder in den Wroffpfad, der nie zuvor gespiegelt
hatte.
    »Hör zu, Delysier«, sagte Jehanna. »Wir gehen
in die Stadtmauer, und dein Liebchen da« – sie deutete mit
einem Nicken zu Ayrid hinüber –, »das wirst du tragen, verstanden. Damit ich die Hände frei hab zum
Kämpfen. Deine Waffen hab ich. Und komm ja nicht auf die
Idee, Ayrid fallenzulassen, um dich mit mir anzulegen; du stirbst,
noch ehe sie am Boden ist.«
    Kelovar sagte nichts. Sein Blick kroch immer noch von einer Frau
zur anderen, von einer zur anderen.
    »Kelovar«, sagte Ayrid, »ich kann nichts
dafür.«
    »Sei still«, sagte Jehanna. »Binde ihn los! Zieh an
dem Ende da – nein, an dem da!«
    Ayrid tat, was Jehanna wollte. Frei, Kelovar war frei und griff
nicht an. Er stand auf und blickte von Ayrid zu Jehanna.
    »Trag sie jetzt zur Mauer«, sagte Jehanna. Sie hielt
Kugelrohr und Hitzeschleuder im Anschlag. Er bückte sich und hob
Ayrid auf.
    Der Blutgeruch, der ihm anhaftete, war überwältigend.
Ayrid kämpfte ihren Ekel nieder. Gleich würde er sie
fallenlassen, und Jehanna würde ihn töten. Oder seine
Soldaten würden kommen, um zu sehen, wo ihr Kommandant blieb.
Doch nichts dergleichen geschah. Kelovar machte sich auf den Weg,
Jehanna blieb hinter ihnen. Er hatte noch kein Wort gesagt. Ayrid las
nicht einmal verhaltene Wut in seinen Zügen, sein Gesicht war
wie versteinert, die blassen Augen waren ausdruckslos.
    Er begriff nicht, was geschah.
    Wie sollte er auch? Sie, Jehanna, SaSa – wie sollte er
wissen, was in jedem einzelnen von ihnen vorging, warum sie sich so
und nicht anders verhielten? Hätte Jehanna ihn getötet, das
hätte er verstanden. Doch das hier? Nein – das verstand er
ebensowenig wie den ganzen Krimskrams am Boden in Ayrids
früherem Zimmer. Er wollte das alles auch gar nicht
verstehen.
    Dennoch ging er vorsichtig mit ihr um, hielt sie so, daß das
wehe Bein möglichst wenig Erschütterungen mitbekam, und
diese Rücksicht fand sie verblüffend. War es
Rücksicht? Sie wußte nicht, was es war.
    Sie wußte überhaupt nichts mehr. Ihre Hand
vergewisserte sich des Gedkästchens in ihrem Tebel.
    Die Mauer. Sie näherten sich der Mauer.

 
66
     
    »Signifikante Daten, Matrixebene«, wiederholte das
Bibliothekshirn. »Hier ist eine Lösung des Zentralen
Widerspruchs. Hier ist eine Lösung des Zentralen
Widerspruchs.«
    Zwölf Geds, die gegen den Bioschock ankämpften,
versuchten trotz des Wehgeschreis ihrer Pheromone zuzuhören.
    »Der Zentrale Widerspruch.
    Schattenseite: Spezies, die interne Gewalt verüben, erreichen
nicht die Technologie der interstellaren Raumfahrt. Ihre große
genetische Variationsbreite führt zwar zu einer rasanten
Evolution, aber auch dazu, daß die interne Gewalt die Phase der
einfachen natürlichen Auslese überdauert. Sie vernichten
ihren Planeten, bevor sie ihn verlassen können.
    Sonnenseite: Die Menschen haben die Technologie der interstellaren
Raumfahrt erreicht. Sie zeigen eine große genetische
Variationsbreite. Sie verüben interne Gewalt. Sie haben ihren
Planeten nicht vernichtet, bevor sie ihn verlassen konnten.«
    Bis hierher hatte die samtweich grollende Stimme des
Bibliothekshirns analytisch-vorbehaltlos geklungen; als sie fortfuhr,
klang sie hypothetisch-abwägend – doch die grammatischen
Verbindungen sprachen eher für eine wilde Spekulation, die alle
Vernunft in den Wind

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