Fremdes Licht
SaSa nicht
los. Seine Augen wirkten heller denn je in dem rauchgeschwärzten
Gesicht, wie Lichtscherben. Seine angespannte Ausdruckslosigkeit
verriet Ayrid, wie gefährlich er war. Um das zu tun, was immer
er getan hatte, hatte er nicht nachdenken dürfen, und sein
Gesicht zeugte von der gedankenlosen Leere des puren Tatmenschen.
Ayrid hätte sich nicht gewundert, wenn er sie jetzt umgebracht
hätte, anstatt ihr zu helfen. Egal, was er tat, er würde
sich nicht viel dabei denken. Hatte Ondur nicht irgendwelche Drogen
erwähnt, mit denen die Soldaten sich vor dem Gemetzel
abstumpften?
Sie schauderte innerlich. Ihre Stimme durfte jetzt nicht zaghaft
klingen. Jedes Anzeichen von Schwäche konnte tödlich sein.
Sie mußte so stark klingen wie die Ayrid, an die er sich zu
erinnern glaubte und von der Arwa gesprochen hatte, wie die Ayrid,
der niemand ein Haar krümmen durfte.
»Laß SaSa laufen, Kelovar.«
Er schmiß SaSas Arm hinter sich, wie einen Kieselstein; das
Mädchen ging dabei zu Boden. Ayrid bemerkte die rote
Haarsträhne in SaSas Hand. Hatte Kelovar verstanden, was es
damit auf sich hatte? Der andere Soldat sah auf SaSa hinunter, setzte
einen Fuß vor, warf einen Blick auf Kelovar und blieb, wo er
war. Bevor SaSa seitwärts ins Gebüsch schlüpfte,
erhaschte Ayrid noch einen Blick in ihr Gesicht – blankes
Entsetzen stand darin.
»Du hattest recht«, sagte Ayrid so standhaft wie sie nur
konnte. Wo war das nächste Wroffohr versteckt? Lauschten die
Geds? »Ich bin jetzt überzeugt, daß du die Geds
richtig eingeschätzt hast – und zwar aus Gründen, von
denen du noch keine Ahnung hast.«
»Was für Gründe?« sagte Kelovar immer noch
tonlos.
Ayrid zwang sich, nicht auf sein blutiges Messer zu blicken. Wie viele? Jehanna? Auch sein Haar war blutverklebt, und die
Windböen trieben ihr launisches Spiel mit den steifen
Strähnen, die ihm auf die Schulter hingen.
»Du hast gehört, was die Geds gesagt haben. Sie haben
angeblich ein Mittel gegen die Hautkrankheit gefunden. Aber seit
Zehnzyklen bin ich mit Grax in der Unterrichtshalle gewesen. Ich
weiß, daß sie das schon vorher gewußt haben –
daß sie uns das nur verheimlicht haben.«
Irgend etwas flackerte hinter seinen Augen. »Warum?«
»Um einen Grund zu haben, Menschen einzusperren.«
»Wir waren von Anfang an hier eingesperrt.«
Sie erinnerte sich mit beißender Schärfe an seine Worte
an jenem ersten Tag in R’Frow: Wie hoch ist diese Mauer,
zehnmal so hoch wie ein Mann? Dicht an der Mauer stehen Bäume.
Wenn wir wollen, können wir hier raus.
»Aber nicht so, Kelovar! Die Menschen in der Mauer
sind da eingepfercht und werden… gefoltert. Delysier, Soldaten
– wie viele von Khalids Soldaten sind in der Mauer
verschwunden?«
»Khalids Soldaten sind jetzt meine Soldaten«, sagte
Kelovar noch eine Spur hitziger, und der Mann hinter ihm grinste
plötzlich. Ayrid blickte wider Willen auf Kelovars Messer und
wehrte eine Welle von Ekel zurück. Aber vielleicht war Khalid im
Kampf gefallen. Vielleicht.
»Gut. Wie viele von deinen Soldaten sind in der Mauer
verschwunden? Und wie gut kannst du sie jetzt brauchen?«
Sie sah, wie er überlegte.
»Kelovar. Wer hat gesiegt?«
»Waffenstillstand.«
»Und wer hat damit…«
»Sie untereinander. Bürger gegen Krieger.« Er sagte
das fast genüßlich. »Da konnten wir nicht
zusehen.«
»In der Mauer sind Soldaten… deine Soldaten. Ich
kann dir helfen, sie zu befreien.«
»Wie?«
Sie durfte ihm nicht zuviel erzählen. Er ekelte sie an,
machte ihr Angst, verwirrte sie, und sie würde hart mit ihm
verhandeln, aber ohne den Bogen zu überspannen. »Die Geds
werden mich in die Mauer lassen.«
»Wieso?«
»Ich habe mit ihnen zusammengearbeitet. Es gibt eine Losung
für uns – für die, die in der Unterrichtshalle
geblieben sind. Für Lahab, Dahar und mich. Ich kann rein, soviel
steht fest.«
Er sagte rasch: »Und die beiden Jeliten?«
»Die sind schon drin. Bei… Lahab hält zu den
jelitischen Soldaten. Sie wollen sie da rausholen.«
»Du hast nicht nur mit den Geds zusammengearbeitet, sondern
auch mit ihnen, richtig, Ayrid? Mit den beiden Jeliten. Mit dem
ersten Stellvertreter Belasirs. Man hat ihn überhaupt nicht
degradiert, hab ich recht? Man wollte uns nur irreführen. Und du
hast ihm geholfen.«
Jetzt hieß es aufpassen. Ondur. Wenn Ondur
tatsächlich zu Kelovar gegangen war… es reichte schon, wenn
sie Karim eingeweiht hatte… War Ondur soviel Zeit geblieben?
Vielleicht tat sie ihr
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