Fremdes Licht
war ein anderer. Sie war jetzt nicht mehr auf
ihn angewiesen.
Ayrid schloß die Augen, damit sie sein Gesicht nicht sehen
mußte.
»Liebe«, sagte sie, und Jehanna preßte Kelovar den
Betäubungslappen ins Genick.
63
Der armlose Knirps auf der Insel setzte sich wieder in Bewegung.
Er nahm die Sonde zwischen die schmutzigen Füße und zerrte
daran. Die Sonde gab nach. Der Knirps lachte, und seine schwarzen
Augen glänzten. Der Alte hörte auf, sich zu wiegen, sein
Singsang verstummte. »Geh fort!« schrie er. Der Kleine
ignorierte ihn.
»Kein Respekt!« schimpfte der Alte, grapschte einen
Kieselstein vom Boden und warf nach dem lausigen Störenfried. Er
verfehlte ihn. Die Stimme draußen, außerhalb des Wracks,
rief wieder: »Ali!« Der Kleine quietschte vor
Vergnügen, ließ die Sonde fahren und sprang auf die
Füße. Als er durch die Tür verschwand, hatte der Alte
Tränen in den Augen.
»Sie spotten und machen alles kaputt. Alles, was noch
funktioniert. Alles, was ich mit meinen Händen gerettet
hab… Ihre Väter waren nicht so, mein Sohn war nicht so
– er war ein gescheiter Junge, brillant war er…« Er
mußte husten, krümmte sich, hustete, schlug die Arme um
den Leib, krümmte sich tiefer und hustete und hustete. Die Sonde
schwebte an die Apparate und Maschinen heran und begann sie aus
allernächster Nähe zu inspizieren.
»Mein Sohn«, keuchte der Alte, als er wieder Luft bekam.
»Sie haben sich das Landeboot genommen, haben es repariert und
sind damit zum Kontinent, weil sie dachten, die Erschütterung
des Starts würde endlich dieses verfluchte Stasisfeld knacken.
Bei Gravitation wäre es instabil, hat er gesagt. Habt ihr meinen
Sohn gesehen, auf dem Kontinent? Er ist unübersehbar. Ein Riese
unter den anderen, gescheit, brillant; er hat mir die
Stasisgleichungen gezeigt. Nicht wie diese Lümmels heutzutage,
nicht wie sie, nein, nein.«
Er sog die Wangen einwärts. Die Sonde beendete ihre
Nahinspektion, zog sich zurück, bis sie auf Armeslänge von
dem alten Gesicht entfernt war. Die Wangen bebten noch, als er sie
losließ.
»Die Gleichungen waren falsch«, sagte er. »Die
Erschütterung war zu schwach. Die Sta…«
Die bebenden Wangen gefroren.
64
In dem Raum, aus dem Grax zu Lehrzwecken eine Luftschleuse gemacht
hatte, verfolgten Dahar und Lahab, wie sich die klare, nahezu
unsichtbare Schicht auf ihrem Körper ausbreitete, sie war
völlig flexibel und blieb am Hals offen; fehlte noch der
Wroffhelm, damit aus dem Harnisch ein Lufttebel wurde. Im Kragen des
glasklaren Helms saßen all die winzigen, teils
mathematisch-logischen, teils semiorganischen Aggregate, die
dafür sorgten, daß im Anzug menschliche Lebensbedingungen
herrschten. Die einen hielten beliebig lange eine Atmosphäre
aufrecht, die so zusammengesetzt war wie im Augenblick vor der
Versiegelung, absorbierten also ständig die ausgeatmeten Gase,
um die verbrauchten zu ersetzen; andere Aggregate regelten die
Temperatur, andere den Druck und wieder andere waren zuständig
für die Kommunikation mit dem Bibliothekshirn.
Eine unbeschränkte Kommunikation war mit den Menschenhelmen
natürlich nicht möglich.
Dahar tastete vergeblich nach seinem Messer; er konnte es nicht
ziehen. »Ich habe mit eigenen Augen gesehen, wie du Sachen aus
deinem Lufttebel genommen hast«, sagte er zu Grax. »Aber
wenn etwas von innen nach außen kann…«
»Nichts im Zustand der Materie kann den Lufttebel
durchdringen. Aber du kannst dir Wrofftaschen machen, in die du von
außen hineinfassen kannst.«
»Machen? Haben denn die Lufttebel keine Taschen?«
»Nein. Du mußt noch mal von vorne anfangen, wenn du an
deine Waffen kommen willst. Um den Lufttebel zu entfernen, brauchst
du ein anderes Fingerspiel. So, siehst du? Nein, Lahab, du hast nicht
aufgepaßt. Am besten, du singst in Harmonie mit
Dahar.«
Lahab blickte auf seine schwerfällige und bedächtige Art
von Grax zu Dahar. Dahar meisterte die Abfolge von Fingerstellungen;
das Wroff floß in die dünne Brustplatte zurück.
»Alles, was recht ist…«, murmelte Dahar.
»Das ist nicht schwer zu verstehen«, sagte Grax.
»Was sich da tut, ist etwas Logisches, Dahar. Wenn du willst,
kann ich es dir erklären, später, wenn mehr Zeit ist.«
Die samtweich grollende Stimme des Ged klang so unbeteiligt wie
immer. Und Dahars Nase war nicht fein genug für Graxens
Pheromone.
»Zeig mir, wie man die Taschen macht.«
Lahab stand nur da, hielt seine Wroffscheibe ein wenig vom
Körper ab und
Weitere Kostenlose Bücher