Fremdes Licht
möglich!
Es sei denn, sie, Jehanna, befand sich gar nicht hinter der
Mauer.
Wie ein Blitz fuhr die Angst durch ihre Glieder, die einzige
Angst, die sie kannte: die Angst, nicht gut genug zu sein, sich nicht
zu bewähren, ihrem ›Leuchtfeuer‹ nicht gerecht zu
werden, den beiden Sternen, die auf ihrer Schulter blitzten. Sie
– und von der Mauer zurückgewiesen…
Aber der Raum ringsum, ein nacktes und fensterloses Geviert, war
aus dem gleichen grauen Metall wie die Mauer. Und von den Jeliten,
die aus den Nischen kletterten, in denen sie geschlafen hatten –
wieso eigentlich und warum? – war jeder zweite ein Krieger.
Natürlich war sie hinter der Mauer.
»Alles Jeliten«, schnarrte eine Stimme neben ihr. Eine
Kriegerin mit grauen Strähnen im Haar, die Haut vom Wetter
gegerbt, drei Sonnen auf die linke Schulter genäht.
Jehanna salutierte, indem sie die linke Faust vor die Brust
schlug. »Jawohl, General.«
»Aber nicht nur Menschen«, sagte die Kriegerin. Sie
starrte auf die Hure, die sogleich ihren Kopf senkte und ehrerbietig
auf ihre Füße sah. Die Generalin wandte verächtlich
den Blick ab. Jehanna tat dasselbe – wenn es hier Brüder
gab, waren Huren natürlich unerläßlich – doch
aus den Augenwinkeln ertappte sie das Mädchen bei einer
Bewegung. Sowie die Generalin den Kopf gedreht hatte, hatte die Hure
aufgeblickt, den Blick ringsum über das graue Metall huschen
lassen, um ihn dann unverblümt und respektlos auf das Gesicht
der Generalin zu heften. Die Augen des Mädchens, tiefschwarz
inmitten greller Schminkspuren, sahen keck und verstört zugleich
drein, doch die Ehrenkränkung war zweifellos beabsichtigt.
Wutentbrannt nahm Jehanna das Messer fester in den Griff und wollte
losstürmen.
Mit einer knappen Geste hielt die Generalin sie zurück. Die
alte Kriegerin zückte ihr Messer, und Jehanna folgte ihrem
Blick. An einem Ende des Raumes waren drei Gestalten erschienen, auf
einer Plattform, die eben noch nicht dagewesen war, sie standen
regungslos in einem orangefarbenen Licht, das keine Quelle zu haben
schien.
Im Nu bildeten die Krieger einen schützenden Kordon. Es gab
keinen Befehl, ein Befehl war nicht nötig. Jehanna stand ihrem
Rang entsprechend hinten in der linken Flanke. Der Formation voran
stand die Frau mit den grauen Strähnen; da sie gegenwärtig
die Ranghöchste war, hatte sie automatisch den Oberbefehl.
Über die Herde der Bürger hinweg, die sich im Zentrum des
Kordons zusammenduckten, konnte Jehanna den Schopf der Generalin
sehen, die fast so groß war wie die beiden Brüder, die sie
flankierten; und über den dreien die drei Gestalten auf der
Plattform.
Sie waren aus Metall. Nein, sie selbst nicht, aber sie
trugen so etwas wie Metall am Leib, eine Art leichte Rüstung,
die vom Hals bis zu den Füßen reichte. Und sie
schimmerten. Der Schimmer schien sogar ihre Köpfe zu umgeben.
Sie waren klein, zu klein für Krieger, hatten kahle Schädel
und flache, häßliche, graue Gesichter mit…
Mit drei Augen!
Alles, was man Jehanna in ihrer Kindheit über die Insel der
Toten erzählt hatte, stürmte jetzt auf sie ein. Doch dann
brachte sie der Angstschrei eines Bürgers wieder auf den Boden
der Tatsachen zurück, und sie peilte den Mann mit der
Messerspitze an, so auffällig, daß es ihm nicht entging.
Die Generalin hatte mit einer Geste Stille geboten, und dann hatte es
auch still zu sein – denn falls sie den Angriff befahl,
würde ein Haufen kreischender Bürger den Kampf mit diesen
Bestien nur unnötig erschweren.
Der Bürger schlug unter Jehannas Blick die Augen nieder und
preßte die Lippen zusammen.
»Wir sind Geds«, sagte die linke Gestalt. »Wir
haben R’Frow gebaut.« Das Wesen schwieg und wartete. Sie
beobachten uns, dachte Jehanna. Sie versuchen, unsere Kampfkraft
einzuschätzen. So und nicht anders verhielten sich
Meisterkrieger. Und dieses Ungeheuer sah kräftig aus, trotz
seiner gedrungenen Statur: sein Brustkorb war breit, die Beine waren
stämmig. Seine Stimme hatte sich angehört wie die der
Mauer, leise und grollend, und das unheimliche Gesicht verriet
keinerlei Reaktion auf die Tatsache, daß man
zahlenmäßig hoffnungslos unterlegen war. Genau so
mußte sich ein Krieger verhalten.
»Ihr wollt R’Frow betreten. Anstelle der Edelsteine habt
ihr das gewählt, was euch R’Frow zu bieten hat. Ihr seid
gekommen, um zu lernen, um Reichtum zu ernten und Waffen. Wir werden
eure Lehrmeister sein. Wir werden euch Reichtum bescheren und Waffen.
R’Frow ist
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