Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Fremdes Licht

Fremdes Licht

Titel: Fremdes Licht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Kress
Vom Netzwerk:
Würde die Generalin eine
Entschuldigung fordern? Sie schien die Beleidigung zu ignorieren,
doch Jehanna wußte es besser. Die Generalin hatte zwar bereits
die Mauer passiert, bevor Jehanna zum Lager gestoßen war, doch
die Krieger im Lager hatten ihr erzählt, wie diese Frau einen
Koch getötet hatte. Der war der Meinung gewesen, nur weil er
nicht mehr in Jela war, brauche er sich nicht mehr an die jelitische
Disziplin zu halten, und hatte Hand an die Brust einer Kriegerin
gelegt. Man hatte seine Leiche aus dem Lager geschafft und zu einer
Senke geschleift, wo sich bei Frühnacht die Krihunde über
ihn hergemacht hatten.
    Die Stimme der Generalin klang kalt: »Ich spreche für
ganz Jela.«
    Die Geds sahen einander an. Das orangefarbene Licht spiegelte sich
in ihren Helmen; diese Helme waren durchsichtig, sie waren aus Glas.
Wozu trug jemand einen Helm aus Glas? Ein gezielter Schlag, und er
ging in Scherben. Und jetzt redete der dritte Ged – es gab
nichts, woran man erkennen konnte, wer der Ranghöchste war.
Lächerlich!
    »Deine Worte sind akzeptiert. Du wirst…«
    »Noch nicht«, unterbrach ihn die Generalin. In einer
rituellen Geste zog sie das Messer. »Wir führen dasselbe
Schwert, verbunden durch die Ehre des Lebens. Was
großzügig gewährt wird, das muß
großzügig erwidert werden. Nur Kinder dürfen die
Kraft anderer ohne Gegenleistung in Anspruch nehmen, auf daß
ihre eigene Kraft nicht geschwächt werde und sie nicht zu
Krüppeln werden. Niemand darf seine Kraft in einem Vertrag zur
Verfügung stellen, auf daß er sein Leben nicht in den
Dienst des Staubs stelle. Was großzügig gewährt wird,
das muß großzügig erwidert werden. In uns singt die
Harmonie.«
    »Möge sie immer singen.«
    »Sie wird auf immer singen.«
    Was beim Schwarzfrost redeten sie da? Jehanna sah keinen Sinn in
den Worten. Die Generalin hatte sich wenigstens klar
ausgedrückt. Die Krieger und die Geds führten dasselbe
Schwert. Wenn die Generalin sagte, der Anspruch war ehrenhaft, dann
war das so.
    »Gleich werdet ihr R’Frow betreten«, sagte einer
der Geds. »Wenn ihr die Stadt einmal betreten habt, werdet ihr
nicht mehr hinauskönnen. In R’Frow bekommt ihr alles, was
euer Leib braucht. Den Wechsel von Hell und Dunkel haben wir eurem
Organismus angepaßt, sechzehn Stunden Licht und acht Stunden
Dunkelheit. Jedesmal, wenn das Grauf ertönt, werdet ihr zum
Unterricht kommen« – ein ohrenbetäubendes
Schürfen setzte ein, wie von Metall auf Stein, und hörte
ebenso plötzlich wieder auf – »ihr werdet dann
zusammen mit den Menschen aus den anderen beiden Portalen zum Zentrum
von R’Frow kommen und in die Unterrichtshalle gehen. Nun
betretet R’Frow.«
    Zusammen mit den Menschen aus… Dann würden ja
auch Delysier in R’Frow sein. Delysier! Jehanna blieb
keine Zeit, sich aufzuregen. Die drei Geds machten kehrt und gingen
durch die Wand, die sich vor ihnen auflöste und hinter ihnen
wieder fugenlos schloß. Die Wand an der rechten Flanke
löste sich auf und bildete einen großen Torbogen. Jehanna
konnte über die Köpfe hinweg Baumwipfel erkennen. Einen
atemlosen Moment lang rührte sich niemand von der Stelle.
Wände, die sich öffneten und schlossen, eine Stadt, in der
sie ein Jahr lang bleiben mußten, Ungeheuer mit drei
Augen… Die Generalin brach mit einer
unmißverständlichen Geste den Bann, und die Krieger kamen
in Bewegung.
    Heiterkeit überkam Jehanna. Sie würden Waffen bekommen,
die vor ihnen noch kein jelitischer Krieger gehandhabt hatte. Ein
Jahr, dann war der Ehre Genüge getan, und sie gehörte zu
einem Kader von Kriegerinnen, wie es Quom noch nicht gesehen
hatte.
    Sie hatte sich für das ›Leuchtfeuer‹ qualifiziert,
und in Zukunft würde diese Qualifikation von jelitischen Kadern
verliehen werden, die mit den Waffen von R’Frow ausgerüstet
waren. Ihr Herz hüpfte vor Freude.
    Und in Formation mit den jelitischen Kriegern marschierte sie
durch den Torbogen in R’Frow ein.

 
8
     
    »Ein weiterer Widerspruch«, sagte das Bibliothekshirn.
Achtzehn Geds, der gesamte planetarische Projektstab, wandten sich
einhellig von den Wandschirmen ab und lauschten.
    »Sonnenseite: Am kooperativsten zeigte sich die Gruppe der
›Jeliten‹. Ein Menschenwesen sang in Harmonie mit allen
anderen, als ob sie Geds wären. Im Gegensatz zu der anderen
Gruppe betraten sie R’Frow geordnet und friedlich und bezogen
ohne viel Aufhebens ihre Schlafstätten. Es gab weder Probleme
damit, welche Menschenwesen welchen Saal

Weitere Kostenlose Bücher