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Fremdes Licht

Fremdes Licht

Titel: Fremdes Licht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Kress
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weh.«
    »Ich will nicht mehr mit dir schlafen, Kelovar.«
    Die Bestürzung wich zusehends dem Zorn. »Gibt es einen
anderen?«
    »Nein.«
    »Ich liebe dich, Ayrid.«
    Sie blickte auf die kaputte Apparatur am Boden und fragte sich,
was das für eine Liebe war, die so wenig über den angeblich
Geliebten wußte. Kelovar folgte ihrem Blick und biß die
Zähne zusammen. »Wir passen gut genug zusammen.«
    »Nein. Tun wir nicht.«
    »Weil ich nichts für diesen Krimskrams übrig habe
und du nichts für Delysia?« Seine Stimme wurde mit einemmal
ruhig. »Wie kommt das denn, Ayrid? Jedesmal, wenn die Sprache
auf Delysia kommt, schreckst du ein bißchen zurück. Das
ist so, seit wir in R’Frow sind. Ich verstehe das
nicht.«
    Sie hatte ihn nicht für einen so guten Beobachter gehalten.
Anscheinend waren sie einander völlig fremd geblieben. Bevor sie
eine ausweichende Antwort geben konnte, sagte Kelovar mit
gedämpfter Stimme: »Nimm dich in acht, Kleine Sonne. Man
könnte meinen, du fühltest dich mehr den Geds verpflichtet
als deinesgleichen. Ein gefährlicher Verdacht.«
    Sie sah ihm offen ins Gesicht. »Soll das eine Drohung sein,
Kelovar?«
    Das sollte es nicht. Bei dieser offenen Unterstellung gab er sich
geschlagen, sein Gesicht zerknitterte, und seine Arme baumelten
hilflos herunter. »Bitte, laß mich bleiben, Ayrid.
Bitte.«
    »Nein. Nicht betteln, Kelovar!«
    Doch selbst diese Grausamkeit brachte ihn nicht davon ab. Sie las
Verzweiflung in seinem Gesicht, eine unterdrückte Panik, die sie
nicht verstand, und die von einem Augenblick zum anderen in eine
gefährliche, milde Bestimmtheit umschlug. »Du gehörst
zu mir, Ayrid. Ob ich gehe oder bleibe, egal, du gehörst zu mir.
Eines Tages wirst du das einsehen. Ich kann warten.«
    »Geh jetzt, Kelovar.« Als er sich nicht rührte,
fügte sie sanft hinzu: »Bitte.«
    Er ging. Ayrid stand da, die Hände flach an die Schenkel
gepreßt, zu ihren Füßen die demolierte
Wärmevorrichtung.
    Ihr war kalt. Sie schlug die Arme um sich, rieb sich die
Schultern, aber es half nichts. Die Kälte war inwendig, eine
Kälte, wie sie sie nicht einmal draußen in der Savanne bei
Jehanna gelitten hatte, eine Kälte, die sie zum letztenmal
erlebt hatte, als sich das Südtor von Delysia für immer
hinter ihr geschlossen hatte. Embri. Delysia.
›Deinesgleichen.‹
    Was für ein Gefühl mochte das sein, jemandem aus Delysia
diese Apparatur vorzuführen? »Das habe ich so und so
gemacht, das und das habe ich probiert, und so hat es
funktioniert…« Sogar im Glashof hatte man sich eng an die
überlieferten Methoden gehalten, war nicht von den
traditionellen Formen abgewichen.
    Vor ihrem geistigen Auge schwebte die rotblaue Glashelix,
zersplitterte auf dem Felsboden am Fluß, die Scherben
glitzerten im Mondlicht.
    Ayrid kniete sich hin und nahm die Teile ihrer Apparatur in
Augenschein. Hier war nichts aus Glas gewesen – sie konnte alles
wieder reparieren. Kelovar hatte, anders als Jehanna, keinen
wirklichen Schaden angerichtet.
    »Deinesgleichen…«
    Es waren die Geds, die ihr in diesem überdachten
Gefängnis zu einer neuen Freiheit verholfen hatten, die ihren
Geist in den schäumenden Fluß hinausgestoßen hatten,
jenen Strom aus Fragen, der sie immer wieder über die Klippen
ihrer Dummheit spülte. Aber sie war kein Ged, und die Geds waren
keine Menschen. Sie saßen ungerührt am Ufer, lauschten und
beobachteten, unnahbar und kalt.
    Warum fror sie so?
    Sie riß sich zusammen. Sie mußte ihre Erfindung
reparieren. Kelovar hatte das Säuregemisch fast restlos
verschüttet; sie brauchte mehr davon. Sie war eben dabei, mit
einem Kissenbezug aufzuwischen, als die Wand zu sprechen begann, so
plötzlich, daß Ayrid fast aufgeschrien hätte.
    Zuletzt hatte ihnen eine solche Stimme das Daumenschloß
erklärt, draußen im Korridor; seit jenem ersten Tag in
R’Frow hatte keine Wand mehr gesprochen, und die Stadtmauer
hatte nie so laut geredet. Die Wand klang wie ein Ged; lauter
diesmal, weil sie die Schlafenden wecken und diejenigen aufhalten
wollte, die sich entfernten. Dennoch klang sie ruhig, laut zwar, aber
nicht erregt, eine unheimlich friedfertige Mahnung.
    »In R’Frow wird nicht mehr getötet. Die Menschen
von Quom werden dafür sorgen. In R’Frow wird nicht mehr
getötet, oder es kommt zur Verbannung, und die Menschen bekommen
keine Edelsteine.«
    Ayrid saß auf den Fersen, die Hand mit dem nassen Tuch
schwebte über dem Boden. Aber es kam nichts mehr…
    »In R’Frow wird nicht mehr

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