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Fremdes Licht

Fremdes Licht

Titel: Fremdes Licht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Kress
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getötet«,
wiederholte die Wand. »Die Menschen von Quom werden dafür
sorgen. In R’Frow wird nicht mehr getötet, oder es kommt
zur Verbannung, und die Menschen bekommen keine Edelsteine.«
    Verbannung aus der Stadt. Verbannung!
    Ayrid schlug die Hände vors Gesicht, fing an zu lachen und
steigerte sich in jenes bittere, unkontrollierte Gelächter
hinein, aus dem Jehanna geschlossen hatte, daß sie es mit einer
Verrückten zu tun hätte. Aber diesmal wußte Ayrid,
daß sie nicht verrückt war. Es war so lächerlich, so
absurd, so aberwitzig… verbannt aus allen Städten, von den
Jeliten verfemt, verfemt von den Delysiern, verfemt von den
Geds… Ihresgleichen? Wo? Wer war ihresgleichen…
    Sie bezwang ihr Zwerchfell, bezwang diesen verrückten Kitzel,
atmete tief durch.
    Die Wand wiederholte die Mahnung zum drittenmal, und jetzt fiel
Ayrid die vage Ausdrucksweise auf… Die Geds verschwiegen, wen sie aus R’Frow verbannen würden. Nur den Täter?
Alle Jeliten, falls ein Jelite der Täter war? Alle Delysier,
falls er ein Delysier war? Alle Menschen in R’Frow? War
das Absicht?
    Sorgfältig, als brächte Sorgfalt wieder Sinn in die
Situation, tupfte sie die Flüssigkeit vom Boden auf. Als sie
damit fertig war, ging sie zur Tür. Im Korridor schlug ihr
tumultartiger Lärm entgegen. Unten in der Halle
überschlugen sich laute, aufgeregte Debatten, jagte eine
Spekulation die andere. Niemand wußte etwas Genaues, und es
schien nicht zwei Delysier zu geben, die sich einig waren.
    Ayrid war schon halbwegs die Leiter hinunter, da dämmerte ihr
noch eine andere Frage. Nach dem Unterricht kehrten die Geds immer
wieder in die Stadtmauer zurück. Sie benutzten immer ein und
dasselbe Tor an der Ostseite der Grauen Mauer; es gab kein
anderes. Und niemand, kein Wachposten, kein Jäger draußen
in der Wildnis hatte je einen Ged nach Einbruch der Dunkelheit
gesehen.
    Woher wußten die Geds überhaupt, daß jemand
getötet worden war?

 
21
     
    »Wo warst du?«
    »In der Unterrichtshalle.« Dahar stand stocksteif vor
der Oberkommandierenden; die Haut in seinem Gesicht fühlte sich
straff und trocken an.
    »Du hattest keine Genehmigung, die jelitische Zone zu
verlassen.«
    »Eine Genehmigung war nicht erforderlich. Ich habe die
Wachposten zur üblichen Zeit inspiziert. Ich bin niemandem
Rechenschaft schuldig, wie ich meine Zeit zwischen den
Kontrollgängen nutze.«
    Belasir, die sonst so förmlich war, machte eine rasche,
ungeduldige Geste mit der Linken. Oben auf ihren Backenknochen
flammten zwei rote Flecke. »Krischeiße, Dahar, ich rede
nicht von Rechenschaft, ich rede von militärischer Präsenz!
Damit mußtest du rechnen, daß die Delysier
zurückschlagen würden, um ihren Waschlappen von Schuster zu
rächen! War dir die Unterrichtshalle wichtiger als deine
Verantwortung?«
    »Ich sagte bereits…«
    »Was war in der Unterrichtshalle? Sag schon!«
    »Nichts. In der Unterrichtshalle war nichts.«
    »Kein Ged? Kein Spielzeug? Keine Waffen?«
    »Nein. Nichts.«
    »Was zur Schwarzkälte hast du da gemacht?«
    »Nichts.«
    Ihre Augen ließen ihn nicht los. Die roten Flecke
verblaßten; ohne die Rötung wirkte sie älter. Es war
ihr anzusehen, wie sie zwischen Neugier und dem Wunsch schwankte, ihn
zu disziplinieren. Im Grunde eine alte Situation, nur daß Dahar
sich dabei ertappte, wie er die Neugier favorisierte. Eigentlich
hatte er sich längst jede innere Anteilnahme an den
Entscheidungen seiner Vorgesetzten abtrainiert.
    In Belasirs Kommandoraum, von dem es nur zwei Schritte bis zur
Leiter waren, gab es die einzige verzierte Wand in R’Frow, die
Dahar bislang zu Gesicht bekommen hatte. Irgend jemand hatte sie mit
der ganzen Palette jelitischer Rangabzeichen bemalt: Mondsichel, Mond
mit Sternen, eine Sonne, zwei Sonnen, drei Sonnen. Welche Farbe
haftete auf Wroff? Dahar hätte auf Hurenschminke getippt, aber
die konnte er getrost ausschließen.
    »Ich sehe von einer Bestrafung ab, Dahar. Die Krieger
würden es dir verübeln, sie verübeln dir schon die
Doppelhelix. Das Kommando muß ein geschlossenes Bild bieten.
Ich will kein Gerede. Nicht bei diesem Haufen unausgegorener Krieger.
Unbemerkt durch die Postenketten zu schlüpfen ist eine Sache
– vielleicht stachelt das zu größerer Aufmerksamkeit
an – aber allein zur Gedhalle zu gehen, ist etwas ganz anderes.
Was war der Grund?«
    »Ich wollte in der Halle sein, mehr nicht.«
    Belasir starrte ihn unverwandt an. Dahar wartete. Als sie nichts
sagte, zwang er sie, Farbe zu

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