Fremdes Licht
sich die Ohren zuzuhalten,
hörte ihren eigenen Schmerzensschrei, nur daß es nicht
ihre eigene Stimme war, die sie hörte, es war die dunkle,
pelzige Stimme, nur daß sie nicht schrie sondern lachte, und
das Gelächter zersprang zu Scherben – sterben –
sterben – sterben – sterben…
Sie verlor die Besinnung.
Das Zimmer schwamm zu ihr zurück, getragen von Wellen des
Schmerzes, aber sie konnte wieder atmen. Sie war nicht tot. Ein Tuch
war eng um ihren Brustkorb gewickelt, und die selbstgenähte
Decke bedeckte ihre Blöße. Sie vernahm Stimmen, Leute
drängten sich in der Türöffnung, da schwirrten noch
mehr Stimmen, doch bei ihr im Zimmer war nur der riesige Barbar, sein
Schweigen war eine Wohltat.
Stille. Er neigte den Kopf auf die Seite und sah sie komisch an,
freundlich, wie ein großes, friedliches Tier. Sie spürte,
wie er durch und durch still war, so still wie ein weißer Fels,
eine Stille, an der nichts Dunkles war, nichts Pelziges, in der es
keine zermürbende Stimme gab, kein Wort, nichts. Sie
schloß wieder die Augen und ließ die Hände, die nach
ihrem gewickelten Leib tasten wollten, auf die Kissen
zurückfallen.
Er hob sie behutsam auf, mit Kissen und allem. Behutsam, ohne ihre
geschundenen Rippen zu beanspruchen, trug er sie zur Tür.
Die Neugierigen, allesamt Bürger aus dieser Bürgerhalle,
stoben davon. Die sich zwischen dem Ende des Flurs und dem Riesen
gefangen sahen, drückten sich flach an die Wand. Falonal, an die
Wroffwand gepreßt und vor Entsetzen mit den Augen rollend,
schrie SaSa zu: »Ich habe den Riesen reingelassen, SaSa! Sag
ihm, er soll mir nichts tun – ich bin noch mal
zurückgekommen –, ich hab ihn reingelassen, damit er dich
retten sollte! Ich wollte dich retten, SaSa! Bitte, sag ihm
das!«
SaSa hielt die Augen geschlossen. Sie ließ es geschehen,
daß sie sanft und liebevoll die Leiter hinuntergetragen wurde,
durch den Torbogen, fort von den jelitischen Hallen, auf den
schaukelnden Wellen weißen Schweigens. Sie hörte nichts:
weder Falonals Rufen noch den Regen, noch Belasirs strikten Befehl,
der von Posten zu Posten weitergereicht wurde: Laßt ihn
passieren. Er ist kein Feind.
Auch nicht den Tumult, der später hinter ihr losbrach, als
jelitische Krieger entdeckten, daß sich ein delysischer Soldat
angepirscht und eine jelitische Kriegerin getötet hatte, die im
dichten Wald auf Jagd gewesen war, derweil der Stellvertreter der
Oberkommandierenden, anstatt seine Wachen zu inspizieren, dieselben
überlistet und die verlassene Unterrichtshalle aufgesucht hatte.
Man fand die Kriegerin mit eingeschlagenem Schädel, und ihr
jelitisches Messer lag neben ihr, zerbrochen an der glatten, vom
Regen gestreiften Wroffklippe der Grauen Mauer, von der es
abgeprallt war.
20
Ayrid kniete vor dem Apparat, mit dem sie Menschen in der bitteren
Kälte von Drittnacht wärmen wollte. Fertig. Sie
setzte sich auf die Fersen zurück und starrte auf die
Vorrichtung aus Gefäßen, Draht und Tüchern mitten in
ihrem Zimmer. Ihre Wangen glühten vor Begeisterung, und sie
drehte sich nicht um, als Kelovar eintrat.
»Es funktioniert! Es funktioniert, Kelovar!«
Kelovar stand über der Vorrichtung, Regen tropfte von seinem
Tebel. Ein Tropfen landete auf einem bloßen Draht und
zischte.
»Deine Hände, halte sie mal hier drüber«,
sagte Ayrid. »Nein, nicht da – hier über dem Tuch. Na?
Ganz schön warm, wie!«
Kelovar riß die Hand zurück. Seine hellen Augen
verengten sich. Ayrid hielt ihre Hand über die Stelle und lachte
lauthals, und er drehte ihr langsam das Gesicht zu und betrachtete
sie. Sie lachte das fröhliche, muntere Lachen, das früher
im Glashof zu ihrer Arbeit gehört hatte.
»Ich weiß nicht, wie lange es warm bleibt. Irgendwann
frißt die Säure die Zinkplatte auf, und der Ged rückt
nicht damit heraus, wie man das verhindern kann. Aber es muß
möglich sein. Aber sieh dir das an, Kelovar! Es funktioniert! Jäger könnten es aufstellen, bei Drittnacht
draußen in der Savanne – nein, vielleicht nicht diesen
Rohling, das ist alles noch zu umständlich; aber in einem
Stützpunkt könnten sie es brauchen. Sie brauchten kein
Feuer zu machen. Feuer macht Rauch, das hier nicht. Und es
könnte bei Drittnacht neben den kranken Kindern stehen oder
neben den Babies. Man müßte es irgendwie einzäunen,
in ein kleines Zelt sperren, damit sie nicht drankönnen und sich
nicht verbrennen. Oder nein – warte! Glas – man
könnte den ganzen Apparat in Glas
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