Fremdes Licht
seit sie in
R’Frow lebte; ein sanfter, dichter Nieselregen, der aus dem
Himmel fiel – und das war der Himmel, aus dem er fiel, da
konnten sie noch soviel endlosen Unsinn verzapfen. Himmel war das,
was oben war, und da oben war oben, basta. Der ganze Schwachsinn, mit
dem sie alles und jedes durcheinanderbrachten: ›Zellen‹ und
›Zwänge‹ und ›Back-te-ri-än‹.
Doppelhelixgefasel, undurchsichtiges Zeug, mit dem sie einen
zuquatschten. Jeliten sollte man nicht wie Tiere einpferchen. Nichts
als reden und denken und denken und reden – das war nichts
für Jeliten. Das waren die Waffen nicht wert…
Noch eine Wand, an der man sich den Kopf einrannte. Die Waffen
waren es natürlich doch wert. In ihrem Gürtel steckte das
unzerbrechliche Gedmesser, der Betäubungslappen und das Rohr,
das eine kleine Kugel abschoß, die selbst noch den Krihund auf
der anderen Seite eines Flusses töten konnte. Jehanna hatte
keine Ahnung, wie das funktionierte. Hauptsache, es funktionierte.
Wenigstens etwas, wofür diese meschuggenen Monster gut waren;
außerdem würden sie schon dafür sorgen, daß
Talot zum Unterricht erschien. Grax würde mit seinem Gesabber
nicht anfangen, bevor der Kader vollzählig war.
Talot erschien nicht zum Unterricht, und Grax legte ohne sie
los.
Auf den Bodentischchen war wieder das verrückte Zeug
erschienen, aber nicht der übliche Krimskrams, sondern blaurotes
Zeug, absonderliche Sachen, von denen man besser die Finger
ließ. Dahar, Grax und diese delysische Glasbläserin waren
die einzigen, die so was anfassen würden. Ayrid tat es als
einzige an diesem Morgen. Auch Dahar war nicht zum Unterricht
erschienen.
Die Krieger tauschten verstohlene Blicke. Delysische Bürger
raunten. Soldaten starrten geradeaus, die Gesichter versteinert.
Angst beschlich Jehanna – ob Talot und Dahar etwas
zugestoßen war? Hatte man sich an den Jeliten gerächt?
Zwei Krieger für einen getöteten Soldaten?
Nein. Dann hätten die Soldaten jetzt andere Gesichter
gemacht. Diese Masken verrieten kalten Zorn, verrieten, daß man
noch keine Vergeltung geübt hatte, daß Delysia sich
schmählich getroffen fühlte. Und dieser dämliche Ged
schwafelte seelenruhig über irgendwas Weißes im Blut.
Wieso? Wieso hatte das Monster nicht auf Talot und Dahar gewartet?
Wieso hatte es nicht mal nach den beiden gefragt? Hatte Grax
gewußt, daß die beiden nicht kommen würden?
Das Kommando lag bei Lajarian. Wenn er den Ged nicht fragte,
konnte sie ihn auch nicht fragen. Lajarian stand mit verschlossenem
Gesicht da, eine Hand am Messer, den Blick auf den delysischen
Kommandanten geheftet.
Der Ged redete und redete, die Schleimschnecke von Glasbläser
stellte leise Fragen, die delysischen Bürger flüsterten,
sogar der jelitische Handwerker murmelte, und Lajarian schwieg – warum hielten sie nicht alle die Klappe?
Der weiße Barbar und die Hure waren still. Zum erstenmal
seit Tagen warf Jehanna wieder einen Blick auf die beiden, die
abgeschieden im Hintergrund saßen und jeden Blickkontakt
mieden. Zwei stumme Steine, der eine ein Fels, der andere ein
glitschiger, poröser Kieselstein. Aber an diesem Morgen sahen
sie ganz anders aus.
Jehanna sah genauer hin.
Der Riese sah krank aus. Die farblosen Augen waren verschleiert,
und der Brustkorb unter dem fremdartigen Tebel hob und senkte sich zu
schnell; entweder konnte der Riese nicht richtig durchatmen oder er
hatte Luftnot. Die Mundwinkel waren abgeschlafft. Jehanna, selbst
immer gesund, hatte noch keinen Gedanken daran verschwendet,
daß in R’Frow offenbar niemand krank wurde – aber
soviel stand fest, dem Riesen ging es schlecht. Der Hure ging es auch
nicht gut. Sie sah nicht krank aus, aber sie war blaß und
blickte immerzu nach oben, in das Gesicht des Barbaren, eine kleine
Hand zur Faust geballt, so fest, daß die Knöchel
weiß hervortraten.
Jehanna besah sich flüchtig die eigenen Fingerknöchel,
die sie sich wegen Talot zerschunden hatte. Talot. Wie kam sie
nur von SaSa und dem weißen Riesen auf Talot? Das hatte Talot
nicht verdient, das war ehrenrührig. Dafür mußte sie
sich bei Talot entschuldigen. Genau das war es, was dieses
dämliche Gefängnis mit all seinem dämlichen Gequatsche
anrichtete – man merkte schon nicht mehr, daß man eine
Hure als Mensch betrachtete, wo sie doch nicht mehr war als ein
verdammter Delysier. Das lag an diesen dämlichen Wänden
überall…
»Ah-huch-huuaaah!« kreischte SaSa. Der riesige Barbar
kippte zur Seite, fiel halb auf
Weitere Kostenlose Bücher