Fremdes Licht
alle
Ehre…
Der abseitige Dahar hörte sich reden und fröstelte.
»Ein Pakt riecht nach Verrat«, sagte Belasir und drehte
sich wieder um. »Solange kein Krieg herrscht, ist ein Pakt
vielleicht nicht gerade Verrat, aber er riecht danach. So riecht es,
wo Delysier um Fleisch feilschen, wo Raubtiere knurrend um einen
fetten Kadaver kreisen. Krihunde riechen so.«
»Dann laßt uns den Pakt so nennen. Krihundspakt meinetwegen!« Ehe er sich’s versah, hatte er diese
zynischen Worte herausgeschleudert, vorbei an jenem anderen Dahar,
der neben ihm stand und hilflos der Zerstörung zusah. Es war der
plötzliche Ekel über dieses abscheuliche Taktieren, ein
Ekel, den er vergessen glaubte – wichtiger als alle Ehre
– der Ekel des Kriegers von Jela, der tief in seinem Innern
hauste. Es war zugleich die Gischt eines unbändigen aufgestauten
Verlangens. Die Gischt der Flut, die eine Bresche in den Damm
reißt. Wilde, schäumende Wasser, zerstörerische
Worte, mit denen er sich Belasirs Zustimmung endgültig
verscherzt hatte.
Er wurde eines Besseren belehrt. Sein Gefühlsausbruch schien
sie eher zu besänftigen: »Dahar, es riecht nach
Verrat«, sagte sie. »Dir ist auch nicht wohl bei dem
Gedanken.«
Mit einemmal fühlte er sich wie ausgebrannt. Er hatte bis
spät in die Nacht mit Grax gearbeitet, hatte sich gegen die
Erschöpfung gestemmt wie gegen einen Feind. Belasir hatte recht.
»Nein«, sagte er schließlich. »Aber ich sehe
keine andere Möglichkeit.«
Sie runzelte die Stirn und blickte wieder zum Torbogen hinaus.
»Ich auch nicht«, hörte er sie sagen… Hieß
das, sie erwog seinen Plan? Hatte er das seinem kurzen, ehrlichen
Zögern zu verdanken?
»Den Delysiern alle Waffen zu überlassen, die ihnen die
Geds versprochen hatten…« Belasir ließ den Satz
unvollendet. Das Schweigen nahm kein Ende. Dahar bot seine ganze
Kraft auf, um es nicht zu brechen.
Belasir sagte: »Wer sagt uns, daß Khalid einverstanden
ist?«
»Er bekommt das Leben eines jelitischen Kriegers.«
Ihre Augen zuckten, und sie wandte das Gesicht ab. Doch ihre
Stimme behielt den lakonischen Tonfall eines Kommandanten, der
Befehle erteilt. »Suche den Schuldigen. Laß ihn zu mir
bringen. Wähle deine Leute mit Bedacht, Dahar. Die Krieger
müssen absolut loyal sein. Schick mir Ischak. Er soll der dritte
sein. Wir müssen sofort an Khalid herantreten, diesen Morgen
noch, vor der Unterrichtshalle, bevor die Geds kommen und sagen…
na, jedenfalls müssen wir ihnen zuvorkommen. Und wir müssen
geschlossen auftreten, und wir müssen so vorgehen, daß sie
auch nicht den geringsten Zweifel an unserer Friedfertigkeit
haben…«
Und sie fuhr fort, mit jener nüchternen, treibenden Stimme
die Details zu planen, eine Arbeit, die Dahar bestimmt nicht
schlechter gemacht hätte, zerbrach er sich doch schon seit Tagen
den Kopf darüber. Er paßte sich ihrem Tonfall an, und die
ganze Zeit über sah der andere Dahar, der abseitige, zu, und
zwar mit einem derart triefenden Hohn, den er noch nie angesichts des
Todes oder irgendeines anderen Versagens zur Schau getragen hatte.
Dabei hatte er gar nicht versagt. Er brauchte sich nicht zu
schämen. Er hatte gewonnen. Alles lief wie am Schnürchen,
und wenn ihn nicht alles täuschte, dann würden die Geds von
einer Verbannung absehen. Dann konnte er bleiben, wo er war –
und weiterlernen.
»Noch etwas«, sagte Belasir, als Dahar sich anschickte,
die Halle zu verlassen. »Auch wenn du mein erster Stellvertreter
bist, ich bin es, der mit Khalid redet. Es wird nicht
herumgefeilscht, kein schleimiges Schachern um Leben und Tod.
Entweder akzeptiert er den Krihundspakt oder er läßt es.
Ich habe nicht vor, in den delysischen Niederungen eine
Schlammschlacht um den ›Preis‹ der Ehre zu
führen!«
Dir traut sie das zu. Und mit einemmal war ihm klar, sie
hatte dem Krihundspakt zwar zugestimmt, aber sie haßte ihn
dafür.
Ein merkwürdiger, verschränkter Schmerz durchfuhr ihn.
Etwas löste sich von ihm – eine Trennung, die weh tat
– kein Aus-sich-Heraustreten – nicht wie zwischen ihm und
dem anderen Dahar, der abseits stand und zusah – nein, diesmal
trennte sich der Krieger vom Priester, der inzwischen zum Wissenschaftler geworden war, ein Wort, das es auf Quom nicht
gab, zumindest nicht außerhalb von R’Frow. Am Ende
behielten sie recht, die Brüder und Schwestern, mit all ihren
Sticheleien und ihrem eingefleischten Mißtrauen. Traue keinem
Kriegerpriester, sie sind zweierlei und beides nicht ganz.
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